Der wegen Mordes an seiner Schwester Morsal angeklagte Ahmad-Sobair Obeidi kann möglicherweise mit einer Verurteilung wegen Totschlags rechnen. Bilder zum Prozess. Eindrücke von Morsal Obeidi.

Der wegen Mordes an seiner Schwester Morsal angeklagte Ahmad-Sobair Obeidi kann möglicherweise mit einer Verurteilung wegen Totschlags rechnen. Außerdem kommt für den 24-Jährigen eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus in Betracht. Entsprechende rechtliche Hinweise gab der Vorsitzende Richter gestern im Prozess um den gewaltsamen Tod der 16 Jahre alten Schülerin. Ausschlaggebend dafür ist das Gutachten der psychiatrischen Sachverständigen Dr. Marianne Röhl. Nach Überzeugung der Expertin habe bei dem Angeklagten zur Tatzeit eine verminderte Schuldfähigkeit "sicher vorgelegen", zudem ist die Tötung der Schülerin laut Gutachten eine Affekttat gewesen. Sollte die Kammer dieser Einschätzung folgen, wird Obeidi wohl zu einer langjährigen, nicht aber einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt werden.

Obeidi ist angeklagt, am 15. Mai vergangenen Jahres seine Schwester mit 23 Messerstichen getötet zu haben, weil er mit ihrem Lebensstil nicht einverstanden gewesen sei.

Auf die Frage nach der Gefährlichkeit Obeidis für die Allgemeinheit sagte die Sachverständige, die Wahrscheinlichkeit, dass der Angeklagte eine weitere Tötung begeht, sei eher gering. Jedoch sei mit weiteren schweren Straftaten wie etwa Körperverletzungen zu rechnen, da der Angeklagte insbesondere unter Einfluss von Alkohol und Drogen aggressiv werde. "Er muss lernen, mit negativen Gefühlen umzugehen", formulierte die Sachverständige. Eine Therapie gegen Drogen- und Alkoholsucht sei wichtig, ebenso müsse seine narzisstische Persönlichkeitsstörung behandelt werden. Sollte das Gericht die Unterbringung des Angeklagten in der Psychiatrie anordnen, würde Obeidi zunächst in der geschlossenen Anstalt behandelt werden und dann erst seine Freiheitsstrafe im Gefängnis verbüßen. Die Zeit in der Psychiatrie würde auf die Haftstrafe angerechnet werden.

Doch zumindest den Staatsanwalt überzeugte das Gutachten der Sachverständigen nicht - und sorgte sogar für einen Disput zwischen Anklage und Verteidigung. "Was hat der Angeklagte Ihnen genau gesagt - ohne Wertungen?", hakte der Ankläger immer wieder nach. Verteidiger Thomas Bliwier beanstandete mehrfach Fragen, sprach von "falschen Unterstellungen" und einem "schmalen Grat", auf dem sich der Staatsanwalt bewege. Die Gutachterin betonte indes, sie habe "sauber und korrekt gearbeitet". Gegen sie hatte der Staatsanwalt bereits einen Befangenheitsantrag gestellt, über den das Gericht voraussichtlich am Freitag entscheiden wird. Dann könnten auch Staatsanwaltschaft und Verteidigung ihre Plädoyers halten. Das Urteil ist bislang für den 5. Februar vorgesehen.