Bei der psychiatrischen Sachverständigen bestehe der Zweifel an der Sachkunde, begründete die Staatsanwaltschaft ihren Antrag, einen weiteren Gutachter hinzuzuziehen. Das von Dr. Marianne Röhl erstellte Gutachten, in dem sie bei dem Angeklagten eine verminderte Schuldfähigkeit diagnostiziert, entspreche „nicht den Mindestanforderungen eines Schuldfähigkeitsgutachtens“. Bilder von Morsal. Bilder vom Prozess.
Platzt der Prozess um den gewaltsamen Tod der 16 Jahre alten Morsal? Die Staatsanwaltschaft warf der psychiatrischen Sachverständigen Dr. Marianne Röhl am Freitag eine fehlerhafte Diagnose vor und beantragte, einen weiteren Gutachter hinzuzuziehen.
Bei der Expertin bestehe Zweifel an der Sachkunde, begründete der Ankläger seinen Antrag. Das von Dr. Röhl erstellte Gutachten, in dem sie bei dem Angeklagten eine verminderte Schuldfähigkeit und eine Affekttat diagnostiziert, entspreche "nicht den Mindestanforderungen eines Schuldfähigkeitsgutachtens". Sollte das Gericht dem Antrag nachkommen, muss der Prozess neu aufgerollt werden. Wird der Antrag jedoch abgelehnt, werden Staatsanwaltschaft und Verteidigung am 5. Februar, ihre Plädoyers halten. Das Urteil soll dann voraussichtlich am 13. Februar verkündet werden. Ein anderer Sachverständiger werde zu dem Ergebnis kommen, dass der wegen Mordes angeklagte Ahmad-Sobair O. (24) voll schuldfähig ist, sagte Staatsanwalt Boris Bochnick. Dr. Röhl habe in ihrem Gutachten "Fakten und Interpretationen vermengt". Das Gutachten sei "unvollständig" und weise Mängel auf. "Die Gefahrenprognose erscheint beliebig und aus dem Bauch heraus gewonnen", kritisierte der Ankläger. Dr. Röhl habe dem Angeklagten unter anderem eine "panikartige Flucht" nach der Tat unterstellt, ohne erklären zu können, wie sie zu dieser Überzeugung kam. Die Expertin warf dem Staatsanwalt dagegen vor, ihre Ausführungen nicht verstanden zu haben. Sie habe "mit großer Akribie" gearbeitet. "Sie werfen mir vor, nicht kompetent sowie befangen zu sein", sagte die Expertin an die Adresse des Anklägers. "Beides trifft nicht zu." Auch die Verteidigung nahm die Sachverständige in Schutz. Ihre Qualifikation stehe "außer Frage", sagte Verteidiger Thomas Bliwier. Dass dem Staatsanwalt das Ergebnis des Gutachtens nicht gefalle, "ist klar. Aber daraus leitet sich noch kein Recht ab, einen weiteren Sachverständigen zu verlangen."
Der Vorsitzende Richter sagte dazu: "Sollten wir dem Antrag der Staatsanwaltschaft nachkommen, wäre der Prozess wohl aus." In diesem Fall müsste ein weiterer psychiatrischer Sachverständiger den Angeklagten explorieren. Da in das Gutachten auch Zeugenaussagen einfließen müssten, müsste die gesamte Beweisaufnahme wiederholt, also der ganze Prozess von neuem aufgerollt werden. O. ist angeklagt, am 15. Mai vergangenen Jahres seine Schwester Morsal in eine Falle gelockt und mit 23 Messerstichen ermordet zu haben.