Serie: Julius Adolf Petersen wurde als “Lord Von Barmbeck“ bekannt. Zu seinen “besten Zeiten“ dirigierte Petersen bis zu 90 Komplizen. Ihnen soll kein Tresor widerstanden haben.
Er kam vom Bruch wie andere von der Börse. Schwarzer Anzug, steifer Kragen, Stockschirm, Bowler und gewienerte Schuhe - das gefiel auch den Damen gut. Julius Adolf Petersen (1882-1933), besser bekannt als der "Lord von Barmbeck". Der Spezialist in Sachen Geldschrankknacken ist der Gentleman-Gauner der Hamburger Verbrechensgeschichte. Zu besten Zeiten dirigierte er mit den Kumpanen "Hunderobert", "Rabenmax" und "Schlachterkarl" eine Truppe von 90 Gaunern - die berühmt-berüchtigte "Barmbecker Verbrechergesellschaft".
Angeblich widerstand ihr kein Tresor. Zum Ausklang des Kaiserreichs und in der Weimarer Republik, einer Zeit der Veränderungen, in der auch viele Hamburger an der Armutsgrenze leben, erleichtern Petersen und seine Handlanger etwa die Farmsener Trabrenngesellschaft um 190 000 Reichsmark oder die Amtskasse der Seewarte um mehr als 50 000 Reichsmark. Der Raub im Postamt an der Susannenstraße im Schanzenviertel brachte der Bande sogar mehr als 220 000 Reichsmark. Hier hatte Petersen den Postbeamten erst beim Schäferstündchen beobachtet und dann in einen Schrank gesperrt. Der Tip zum lohnenden Raub kam von einem Postboten. Beim Aufteilen der Beute auf dem Ottenser Friedhof soll auch er seinen Anteil bekommen haben.
Insgesamt 200 Verbrechen werden dem Lord und seinen Männern zugerechnet, deren "Blütezeit" die damalige Criminalpolizei vor ganz neue Herausforderungen stellte. Julius Adolf Petersen, so geht zumindest die Legende, war einer von jener Sorte von Panzerknackern, die erst den Schlüssel zu einem Tresor stahlen, dann abräumten und später den Schlüssel wieder zurücklegten. "Er war kein eiskalter Verbrecher", sagt Ulrich Tukur, der den "Lord" im St. Pauli-Theater spielt: "Er wollte nur auf seine Art und Weise bewundert werden."
Der charmante, aber unverbesserliche Petersen wurde am 7. Oktober 1882 in einer Kellerwohnung am Borstelmannsweg (Hamm) als Sohn eines Zimmermanns geboren. "Ich hatte Gift getrunken, Gift in vollen Zügen", schreibt er über seine Jugend in den nicht gerade uneitlen Memoiren (2000 neu aufgelegt vom Hanse Verlag). Der Vater soll ihn täglich mit dem Rohrstock gezüchtigt haben.
Petersens kriminelle Karriere beginnt, als er 13 ist - mit fünf Tagen Gefängnis für seine erste Tat, die Unterschlagung einer Geldbörse mit 20-Mark-Stücken. Dann folgen Einbrüche. Zum Schein wird der Lord Wirt in einem Kellerlokal an der Bartholomäusstraße (Barmbek-Süd).
Nachweisen kann man ihm lange Zeit nichts - bis in das Jahr 1924, da bekommt der "Lord" eine Zuchthausstrafe von 15 Jahren plus zehn Jahre Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte. Petersen gibt sich reumütig, er schreibt in seinen Memoiren: "Ich büße so, wie ich gefehlt habe, kühn waren meine Handlungen, ohne Murren ist meine Buße." Er wird 1932 vorzeitig entlassen und nimmt sein Metier wieder selbst auf, das er hinter Gittern nur weiter betreiben konnte, weil er mit Hilfe von Kassibern, bestochenen Justizbeamten und Rechtsanwälten regen Kontakt mit seinen Kumpanen hielt.
Doch in Freiheit geht die Sache nicht gut: Der Gentleman-Gauner wird schon im Oktober 1933 wieder festgenommen, er soll mit einem Raubmörder zusammen Einbrüche begangen haben. Und zudem Komplize seines Bruders Arnold gewesen sein, als der Falschgeld in Umlauf brachte.
Am 21. November 1933 endete das Leben des "Lords von Barmbeck". Im Alter von nur 51 Jahren knotete er zwei Socken und ein Taschentuch zusammen und erhängte sich damit. Der Paradiesvogel war im Käfig flügellahm geworden.
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Die Serie wird am Montag fortgesetzt - im Hamburger Abendblatt und auf NDR 90,3: Dort wird der Schauspieler Wolfgang Völz um 8.20 Uhr sowie um 17.40 Uhr den Fall des Kiez-Killers Werner Pinzner schildern.