Serie: Sechs Bomben ließ Arno Funke in Karstadt-Häusern explodieren. Nur einmal kassierte der heute 55jährige 500 000 Mark. Von 1988 bis zu seiner Festnahme 1994 scheiterten mehr als 30 Geldübergaben.

Die Welt des Arno Funke: Sie scheint irgendwo zwischen dem 23jährigen, erstaunlich blonden Playmate Jasmin und TV-Provokateur Oliver Pocher ("Rent a Pocher") zu liegen. Zumindest findet sich der heute 55jährige hier wieder, als das Männermagazin "Playboy" ihm kürzlich gleich mehrere Seiten widmete. Über seinen Auftritt als "Supergauner" im britischen TV-Sender Channel 4, wo der Ex-Erpresser sich mit anderen Gaunern in Serie filmen ließ, wie sie etwa ein Rennpferd stehlen und den Eigentümer erpressen. "Gerade für Dagobert eine traumatische Angelegenheit", fabuliert das Magazin: "Wird die Geldübergabe, an der er in den 90er Jahren so oft scheiterte, diesmal klappen?"

Ein Schwerverbrecher als Medienstar. Sechs Bomben ließ der Erpresser zwischen 1988 und 1993 in Karstadt-Kaufhäusern in Norddeutschland explodieren. Auch in Hamburg, wo bei Karstadt an der "Mö" am 13. Juni 1992 ein mit Sprengstoff gefülltes Metallrohr explodiert und erheblichen Sachschaden anrichtet. Wie durch ein Wunder wird bei den Anschlägen niemand verletzt. "Ich habe mich stets bemüht, die Situation unter Kontrolle zu halten", verteidigt sich Arno Funke 1998 bei der Vorstellung seiner Memoiren. Wer das Buch gelesen hat, weiß, daß Funke keineswegs der coole Kriminelle war, den vor allem der Boulevard zeichnete, sondern ein von Selbstmordgedanken bewegter, gelernter Schildermaler, den seine legale Arbeit mit Farben und Lacken depressiv werden ließ - und alles andere als reich.

Nur einmal, nach der ersten Kaufhaus-Bombe 1988 im Berliner KaDeWe, glückt Funke die Erpressung. Er kassiert 500 000 Mark. Was folgt, ist eine fast endlose Serie von mehr als 30 teils spektakulären, aber gescheiterten Geldübergaben. So befestigte er im August 1992 eine Blechkiste mit einer Magnethalterung an einem fahrenden Zug. Per Funksignal löst Dagobert in der Nähe Hamburgs den Abwurf aus. Die Beute - wie später noch öfter - einige hundert Mark und Papierschnipsel.

Zweimal narrt der Autolackierer aus Berlin-Tempelhof die Polizei durch den Untergrund: So in Berlin im Januar 1994 bei einer Übergabe mit einer selbstgebauten Lore auf einem stillgelegten Eisenbahngleis. Den Spitznamen bekam Dagobert durch den "Code" in einer Zeitungsanzeige, über den er die Erpressung abwickeln wollte: "Onkel Dagobert grüßt seine drei Neffen".

Als Arno Funke am 22. April 1994 in einer Berliner Telefonzelle Anweisungen für eine neue Übergabe stellen will, schlagen die Fahnder zu. Funke nimmt seine Festnahme sportlich ("Als guter Sportsmann hab' ich mich mit den Beamten gefreut."), die Justiz nicht: Das Berliner Landgericht verurteilt den Mann zu sieben Jahren und neun Monaten, nach der Revision beim Bundesgerichtshof werden daraus neun Jahre Haft. Karstadt verlangt fünf Millionen Mark Schadenersatz, bekommt aber nur einen Bruchteil davon.

Als Dagobert im August 2000 nach zwei Drittel der Haftzeit aus der Haft in Berlin-Moabit entlassen wurde, warteten Dutzende Journalisten auf den Kaufhaus-Erpresser. Arno Funke, der bis heute Hausverbot bei dem Kaufhauskonzern hat, gibt sich medienscheu. Er möchte "nur noch Herr Funke sein" ("Die Zeit") und wird Zeichner bei der Satire-Zeitschrift "Eulenspiegel". Doch wenn er öffentlich auftritt, kann "Dagobert" bis heute sicher sein, die Medien an seiner Seite zu haben. Nicht wenige der Polizeibeamten, die ihn damals faßten, darunter der heutige Polizeivizepräsident Michael Daleki oder Ulrich Tille, jetzt Leiter der Abteilung Kapitaldelikte im Landeskriminalamt, stört das verbreitete Schwarzweißbild: der clevere Erpresser und die blöde Polizei, Schabernack gegen Staatsmacht. Oder, wie der Playboy seine Sympathie mit dem Karstadt-Erpresser flott verpackt: "Daß er deswegen in den Knast mußte - Schwamm drüber!"


*

Die Serie wird morgen fortgesetzt - im Hamburger Abendblatt und auf NDR 90,3: Dort wird der Schauspieler Wolfgang Völz um 8.20 sowie um 17.40 Uhr den Fall des Frauenmörders Fritz Honka schildern.