Der 24-Jährige soll im November 2007 gemeinsam mit einem weiteren Verdächtigen eine Frau – sie wurde 1977 in Afghanistan geboren – vergewaltigt haben. Unterdessen hat Verteidiger Thomas Bliwier sein Mandat für Ahmad Obeidi niedergelegt. Der zweite Anwalt, Hartmut Jacobi, legte beim Landgericht Revision gegen das Mord-Urteil ein.

Der Mörder der 16 Jahre alten Deutsch-Afghanin Morsal ist auch nach seiner Verurteilung weiter im Visier der Hamburger Staatsanwaltschaft. Die Behörde prüft den Vorwurf des sexuellen Missbrauchs, wie Sprecher Wilhelm Möllers am Dienstag berichtete. Der 24-jährige Bruder von Morsal soll im November 2007 gemeinsam mit einem weiteren Verdächtigen eine Frau sie wurde 1977 in Afghanistan geboren vergewaltigt haben. Die Staatsanwaltschaft hat im April 2008 Ermittlungen wegen sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen aufgenommen, sagte Möllers. Gegen die lebenslange Haftstrafe hat die Verteidigung inzwischen Revision eingelegt. Der Schriftsatz sei am Montag beim Landgericht eingegangen, sagte eine Sprecherin. Die Verteidigung muss die Revision erst begründen, wenn das schriftliche Urteil vorliegt. Die Richter hatten Morsals Bruder am Freitag lebenslang ins Gefängnis geschickt, weil er die 16-Jährige aus Wut über ihren westlichen Lebensstil getötet hatte. Einer der beiden Verteidiger, Rechtsanwalt Thomas Bliwier, hat nach Abendblatt-Informationen inzwischen sein Mandat für Ahmad-Sobair Obeidi (24) niedergelegt. Für das anstehende Revisionsverfahren ist jetzt nur noch der Verteidiger Hartmut Jacobi zuständig. Bliwier ließ laut NDR 90,3 durchblicken, dass nicht das Urteil gegen seinen Mandanten dafür ursächlich war, sondern die Tumulte nach dem Schuldspruch. Wie berichtet hatte Ahmad Obeidi Staatsanwalt Boris Bochnick unter anderem als "Hurensohn" beschimpft. Familienangehörige des Verurteilten randalierten.

Die Hamburger Staatsanwaltschaft hat nun laut Sprecher Wilhelm Möllers drei Monate Zeit, einen Strafantrag gegen Obeidi wegen Beleidigung zu stellen. Unterdessen ermittelt die Polizei gegen den Vater von Obeidi wegen Diebstahls. Er hatte nach dem Schuldspruch ein gerahmtes Foto von Morsal, das während einer Mahnwache aufgestellt worden war, mitgenommen. Ihn erwartet ohnehin noch ein Prozess wegen Misshandlung Schutzbefohlener. Ihm wird vorgeworfen, seine Tochter wiederholt geschlagen und getreten zu haben.

Wie geht es jetzt weiter im Fall Obeidi? Die Große Strafkammer 21 des Landgerichts, die Obeidi verurteilte, hat neun Wochen Zeit, das Urteil zu schreiben. Die zweite entscheidende Frist: Wenn Obeidi das schriftliche Urteil zugestellt ist, hat seine Verteidigung genau einen Monat lang Zeit, die Revision schriftlich bei Gericht zu begründen.

Was prüfen die BGH-Richter? Die BGH-Richter prüfen nur noch, ob bei dem Urteil Rechtsfehler gemacht wurden. Sollten sie einen solchen feststellen, würden sie das Urteil aufheben und den Fall zur neuen Verhandlung an eine andere Große Strafkammer zurücksenden. Ein wichtiger Punkt in der Revision könnte die Frage der Schuldfähigkeit Obeidis sein, der Streit im Verfahren um die Gutachter.

Worum ging es denn dabei? Das Landgericht hat festgestellt, dass Obeidi voll schuldfähig ist. Die Problematik dahinter: Ein psychiatrischer Sachverständiger im Prozess kam auch zu dem Ergebnis, dass Obeidi voll schuldfähig war bei der Tat - die Kammer hat ihn wegen Befangenheit abgelehnt, ist ihm aber in der Sache doch gefolgt. Und: Eine zweite Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass Obeidi vermindert schuldfähig ist, dass er an einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung leide. Die Richter attestierten Obeidi auch diese Störung - argumentieren aber, dass diese Störung nicht erheblich war, also seine Schuldfähigkeit nicht verminderte. Es gilt: Die Richter müssen die Gutachten würdigen, können aber dann ihre eigenen Feststellungen an deren Stelle setzen. Was bedeutet lebenslange Haft? Sollte der Bundesgerichtshof das Landgerichtsurteil bestätigen, es also "rechtskräftig" werden, müsste Ahmad Obeidi mindestens 15 Jahre in Haft verbringen. Das Gericht kann erst danach den Verurteilten unter bestimmten Voraussetzungen auf Bewährung freilassen - die Bewährungsdauer beträgt fünf Jahre. Voraussetzung dafür, dass die Reststrafe ausgesetzt wird, ist: Die Sicherheit der Allgemeinheit darf durch die Freilassung nicht gefährdet werden. Bei der Entscheidung müssen insbesondere die Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Verhalten im Vollzug und die Lebensverhältnisse, die in Freiheit auf den Straftäter warten, berücksichtigt werden.

Wo befindet sich Obeidi? Er ist im Untersuchungsgefängnis inhaftiert. Er sitzt 23 Stunden am Tag in seiner Zelle, darf diese lediglich eine Stunde für den Hofgang verlassen. Um 7 Uhr wird er geweckt. Wenn das Urteil rechtskräftig ist, kommt Obeidi in die Haftanstalt Fuhlsbüttel. Dort dürfte er für Arbeiten, etwa in den Werkstätten, die Zelle für mehrere Stunden verlassen.