Der Zentralrat der Muslime begrüßt das Urteil gegen den Bruder der 16-Jährigen. Auch viele in Hamburg lebende Afghanen sagen: “Es war Mord. Die Strafe ist gerecht.“ Bilder vom Prozess. Bilder zum Thema.
Der Zentralrat der Muslime in Deutschland hat das Urteil gegen Ahmad-Sobair Obeidi (24) begrüßt. "Ich bin froh, dass der Richter nicht auf Totschlag erkannte, sondern die volle Härte des Gesetzes den Angeklagten hat spüren lassen", sagte Generalsekretär Aiman Mazyek. Obeidi war für die tödliche Messerattacke auf seine Schwester Morsal (16) wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das hatte im Gerichtssaal zu Tumulten unter den Angehörigen geführt. Der 24-Jährige habe die Religion vorgeschoben und sich mildernde Umstände erhofft. "Gott sei Dank ist der Richter nicht darauf hereingefallen."
"Wir dichten sehr viel Islam in Sachen hinein, wo er eigentlich gar nicht hingehört", sagte Aiman Mazyek auf NDR Info. "Es gibt nicht den leisesten Verdacht, dass Mord aus Ehre oder sonstigen Gründen zu rechtfertigen ist. Mord bleibt Mord." Der Verweis auf die unterschiedlichen Kulturen sei lediglich eine vorgeschobene Argumentation gewesen. Es sei wichtig, den Täter und die Tat als solche zu beschreiben und nicht zu versuchen, Religion als Begründung heranzuziehen. "Die Staatsanwaltschaft hat ja nicht umsonst gesagt, dass sie den Begriff Ehrenmord hier an dieser Stelle fehl am Platz oder nicht richtig findet", sagt Mazyek.
Die Ausschreitungen und Beschimpfungen während des Urteils sind dem Gründer des Emigranten-Verbandes "Netzwerk Afghanistan Info", Rafiq Shirdel, unangenehm. "Ich möchte mich beim Richter, dem Staatsanwalt und den Hamburgern für die heftigen Reaktionen der Familie des Angeklagten entschuldigen", sagte Shirdel dem Abendblatt. "Ich weiß, dass sich viele Afghanen dafür schämen."
Ahmad-Sobair Obeidi hatte den Staatsanwalt nach dem Schuldspruch beschimpft. Familienmitglieder schrien während der Urteilsbegründung und schlugen gegen die gläserne Absperrung zwischen Zuschauern und dem Angeklagten. "Man kann Richter und Staatsanwälte nicht beschimpfen, wenn man mit dem Urteil nicht einverstanden ist", sagt Rafiq Shirdel. "Es gibt in diesem Fall rechtliche Wege, die man einschlagen kann." Shirdel befürchtet darüber hinaus, dass die Tumulte negative Auswirkungen darauf haben könnten, wie die in Deutschland lebenden Afghanen angesehen werden. Allerdings bezeichnet er die Ansprache des Richters an die Eltern des Mörders als "überflüssig". Dieser sagte, dass die Eltern "eine hohe moralische Mitschuld" treffe. Sie hätten ihren Sohn möglicherweise "zum Vollstrecker ihrer Erziehungsmethoden" gemacht. "Das hat viele Afghanen beleidigt. Sie nehmen das persönlich", sagt Shirdel. Er hält die Integration in Deutschland für gescheitert. "Es fehlt auf beiden Seiten die Bereitschaft dazu." Das Urteil empfindet Shirdel jedoch als zu hart und bezeichnet es als "politisch". "Die Tat war nicht geplant", vermutet er.
Weitere in Hamburg lebende Afghanen sehen das anders. "15 Jahre lebenslänglich, das ist eine gerechte Strafe. Jeder Mensch hat das Recht auf Leben, Morsals Mörder hat dieses Recht nicht geachtet", sagt Sayd Hascheme. Der 19-Jährige kann auch das Verhalten der Familie nach der Urteilsverkündung nicht nachvollziehen. Er ist als Aushilfe im Restaurant Kabul am Steindamm tätig und fordert: "Mehr Respekt für Deutschland. Das deutsche Recht muss akzeptiert werden. Ich finde es gut, dass die Strafe so hart ist, das wirkt hoffentlich abschreckend", so Hascheme.
Samadi Ayub (36) aus Billstedt sagt sogar: "In Afghanistan wäre der Junge erhängt worden, die Strafe ist nicht zu hart." Auch Haris Abadyar (18), der in Altona sein Fachabitur absolviert, verurteilt das Verhalten des Deutsch-Afghanen Ahmad-Sobair Obeidi. "Das war Mord, die Strafe ist gerecht. Er darf den Staatsanwalt nicht beschimpfen. Wichtig ist, dass jeder das als Einzelfall ansieht, sonst ständen jetzt alle Afghanen unter Generalverdacht", sagt der Schüler.
Ob die Drohungen gegen den Staatsanwalt Boris Bochnik (siehe unten) ernst zu nehmen seien oder nicht, ist Thema in einem Internetcafe, gleich neben der Ibrahim-Khalil-Moschee an der Billstedter Hauptstraße. Murrad Sabrr (68): "Ich glaube nicht, dass die Drohungen eine ernsthafte Gefahr darstellen." Während Sabrr Verständnis für die Familie zeigt, fordert Husseini Mahmud, "kein Mitleid zu haben". Der 35-Jährige ist Vater einer elfjährigen Tochter und verurteilt auch das Verhalten der Eltern. "Wir müssen akzeptieren, wenn unsere Kinder andere Meinungen haben als wir. Die Eltern haben den Jungen erst heiß gemacht, und jetzt weinen sie. Das ist eine Dummheit", sagt Mahmud. Er fordert, dass "alle, denen die Demokratie hier nicht passt, wieder nach Hause gehen".