Heute gegen 20.30 Uhr kommt das Kreuzfahrtschiff, das die Hamburger so fasziniert, wieder in die Hansestadt. Zur Reparatur, ohne Passagiere. Die würden auch nicht so empfangen, wie es sich für eine Weltstadt gehört. Denn die zweite Kreuzfahrthalle ist ein Missgriff, meint Hanno Rauterberg. Der Architektur-Kritiker der Wochenzeitung “Die Zeit“ erläutert, warum.

Hamburg - Hamburg ist schön, und es sollte noch schöner werden. Das war jedenfalls der Traum: Die Stadt kehrt zurück an die Elbe, im alten Hafen wächst ein neues Quartier, die HafenCity, lebendig, aufregend, ein wunderbares Stück Hamburg. Noch ist davon nicht viel zu sehen. Ein paar dürftige Büro- und Wohnblocks stehen verloren herum, ansonsten große Ödnis. So richtig freuen kann man sich bislang nur über den Fährterminal, zusammengeschraubt aus bunten Schiffscontainern, obendrauf ein schwungvolles Dach, das fröhlich hinübergrüßt zur Stadt. Etwas Besseres hätte Hamburg hier nicht bauen können.

Hier kommen sie an, die stolzen Schiffe mit den Reisenden

Auch Jürgen Bruns-Berentelg sieht das so, der Chef der HafenCity GmbH, die den Aufbau des Viertels organisiert. Noch vor Kurzem brüstete er sich mit der Kreuzfahrerhalle, schwärmte von der Symbolwirkung. Denn hier kommen sie an, die stolzen Schiffe, hier gehen sie an Land, die Reisenden von Welt, hier beginnt Hamburg. Und dieser Beginn sollte nicht kalte Abfertigung, bloßes Durchschleusen sein. Hier sollte sich etwas mitteilen vom Selbstverständnis einer Stadt im Aufbruch. Den Architekten Renner, Hainke, Wirth war das mit ihrem Cruise Center aus Containern großartig gelungen. Nun aber das: Direkt neben dem Signalbau eine zweite Halle, und auch diese ist leider ein Signal. Allerdings dafür, dass es in Hamburg offenbar eher kleinmütig und knauserig zugeht und es auf Architektur im Zweifel nicht weiter ankommt. Anders lässt sich der plumpe Kasten kaum verstehen. Dass es eine zweite Kreuzfahrthalle geben würde, war länger schon bekannt. Immer mehr und immer größere Schiffe laufen Hamburg an, 2005 waren es 27, kommendes Jahr sollen es rund 80 sein. An manchen Tagen werden zwei, manchmal sogar drei dieser schwimmenden Städte am Kai liegen, so die Prognosen. Der Bausenator Michael Freytag sprach bereits von einem "Drehkreuz für den internationalen Tourismus". In Wahrheit aber ist das Drehkreuz nun eine Schweinemasthalle.

So jedenfalls, unter dem Schlagwort Schweinemasthalle, wurde sie im Ingenieurbüro Hellmann geplant. Ein Fix-und-Fertig-Produkt mit Satteldach, das sich per Katalog bestellen lässt wie ein Billy-Regal. Und nur weil in letzter Minute der Oberbaudirektor Jörn Walter eingriff, wurde am Ende noch Schlimmeres verhindert.

Gut, die hässliche Kiste mit ihren Plastikwänden hat Vorteile. Sie lässt sich leichter versetzen, sie ist auch deutlich billiger. Es gibt Gründe, eine Halle zweiter Klasse zu errichten, auch wenn hier keineswegs nur Gepäck verwahrt wird, sondern auch die Passagiere erster Klasse an Land gehen. Aber wie kommt das an? Alle Kreuzfahrtreisenden werden, so sagte es Bausenator Freytag, "zu Hamburgs Botschaftern in der Welt". Welche Botschaft nehmen sie mit? Dass in dieser Stadt am Ende immer der Pragmatismus siegt? Dass nur das Geld zählt? Es ist nur ein kleines, unwichtiges Häuschen am Rande. Und doch ist der Symbolwert fast so dickbauchig wie die Schiffe, die hier festmachen. Wer nur in Zahlen denkt, dem könnte wohl von vornherein das ganze Kreuzfahrtgeschäft völlig nebensächlich vorkommen. Ungefähr 70000 Passagiere sollen in diesem Jahr hier ein- und aussteigen, eine lächerliche Größe. Hamburg empfing 2005 rund 98,3 Millionen Tagesgäste und die Zahl der Übernachtungen liegt bei 18,6 Millionen. Rein rechnerisch müsste man sich also um die Schiffsgäste nicht weiter kümmern. Doch sind dies eben ganz besondere Gäste.

Um sie zu begrüßen, ziehen die Hamburger bei Wind und Wetter an die Elbe und bereiten den einlaufenden Schiffen einen großen Empfang. Es ist eine Begeisterung für Größe, für Erhabenheit, für die technische Sensation, dass diese schwimmenden Städte nicht untergehen oder versehentlich den Süllberg rammen.

Die Stadt, die nie einen Fürsten oder König hatte

Oft kommen Hunderttausende, sie bejubeln die "Queen Mary 2", die "Grand Princess" und andere Monarchen der Meere fast so, als gäbe es in dieser Stadt, die nie einen Fürsten oder König hatte, ein tiefes Nachholbedürfnis. In jedem Fall sind diese Schiffe etwas sehr Öffentliches, sie lösen etwas aus und gerade deshalb sind auch die Terminals nicht irgendwelche Bauten am Rande. Auch sie sind Auslöser, Orte des Öffentlichen. Zumindest sollten sie es sein. Denn dann würden hier nicht nur Passagiere abgefertigt, dann könnte auch etwas von der großen Begeisterung an Land gehen. Die Chance dazu ist nicht vertan. Vieles in der HafenCity ist noch im Schwange. Die "Queen Mary2" muss der Maßstab sein.

"Siegt in dieser Stadt immer der Pragmatismus? Zählt nur das Geld?" Hanno Rauterberg