Die Zahl der Anleger steigt in Deutschland um mehr als 17 Prozent. Inflationsängste und niedrige Zinsen gelten als Gründe für deutliche Steigerung.
Hamburg. Ausgerechnet in der Schuldenkrise bekommen wieder mehr deutsche Anleger Appetit auf Aktien: Die Gesamtzahl der Aktionäre und Besitzer von Aktienfondsanteilen hat sich im ersten Halbjahr 2012 deutlich erhöht. Insgesamt waren nach Angaben des Deutschen Aktieninstituts (DAI) 10,2 Millionen Anleger direkt oder indirekt in Aktien investiert, das entspricht 15,7 Prozent der Bevölkerung.
Mit einer Zunahme um 1,5 Millionen Investoren (plus 17,1 Prozent) fiel die Steigerung zum Vorjahr überraschend kräftig aus; eine noch stärkere Zunahme gab es nur im Ausnahmejahr 2000 mit 3,6 Millionen neuen Aktienanlegern. Mit dem Ende des "Börsenbooms" ging es jedoch bergab. Nach drei Halbjahren in Folge mit Steigerungsraten ist nun zumindest der Stand des Jahres 2007 - vor Beginn der Finanzkrise - wieder erreicht.
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Als einen der Gründe für den Anstieg vermutet DAI-Direktor Franz-Josef Leven Inflationsbefürchtungen im Zusammenhang mit der Euro-Krise: Als Sachwert biete die Aktie neben der Immobilie nach Einschätzung der Anleger die größte Sicherheit für den Fall höherer Inflationsraten. "Darüber hinaus bietet die Aktie im aktuellen Kapitalmarktumfeld als praktisch einzige Anlageform die Aussicht auf eine attraktive laufende Ausschüttung", so Leven. Während die Zinsen für Termingeld oder Anleihen erstklassiger Schuldner nicht einmal die aktuelle Inflationsrate erreichten, hätten allein die DAX-Konzerne im Jahr 2012 Dividenden von 27,8 Milliarden Euro ausgezahlt, was einer Dividendenrendite von gut vier Prozent entspreche.
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"Längerfristig macht der Anstieg der Aktionärszahlen Hoffnung", sagte Hamburgs Börsenpräsident Friedhelm Steinberg dem Abendblatt. "Es wäre schön, wenn sich die Aktienkultur in Deutschland wieder festigt." Großanleger hielten sich allerdings am Markt zurück. Dies dürfte einer der Gründe dafür sein, dass der Aktienumsatz an der Börse Hamburg in den ersten sieben Monaten um 31 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum auf 716 Millionen Euro zurückgegangen ist - wie auch an anderen deutschen Börsen.
Dabei böten Aktien vor dem aktuellen Kapitalmarkthintergrund noch auf absehbare Zeit zumindest "relative Sicherheit" in Form einer höheren Rendite als erstklassige Staatsanleihen, so Steinberg. Insofern sei es für Privatanleger durchaus sinnvoll, im Rahmen einer vernünftigen Streuung des Kapitals auf solide Aktientitel zu setzen.
Bei Profiinvestoren ist die Risikoscheu jedoch offenbar bisher noch immer ausgeprägt. So haben institutionelle Anleger wie zum Beispiel Versicherungen und Pensionskassen im ersten Halbjahr zwar nach Angaben des Bundesverbands Investment und Asset Management (BVI) den Rekordwert von 30,9 Milliarden Euro in sogenannte Spezialfonds investiert. Während aber die Aktienquote in diesen Fonds in den Jahren 2003 bis 2007 zwischen 25 und 30 Prozent pendelte, liegt sie seit dem Markteinbruch 2008 unverändert bei nur noch gut zehn Prozent.
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Haspa-Chefvolkswirt Jochen Intelmann kann sich jedoch gut vorstellen, dass auch Großanleger bald wieder verstärkt zu Aktien greifen: "Wer bestimmte Renditeanforderungen gestellt bekommt, wird Schwierigkeiten haben, sie am Anleihemarkt zu erfüllen." Ein Beispiel: Die Umlaufrendite, das ist die durchschnittliche Rendite aller börsennotierten Bundeswertpapiere, liegt nur noch bei knapp oberhalb der Marke von einem Prozent .
Kern eines Aktienportfolios sollten nach Auffassung von Intelmann angesichts der anhaltenden Unsicherheit Titel von Unternehmen "mit weltweiter Marktmacht und einem Geschäftsmodell, das auch in fünf oder zehn Jahren noch trägt", sein. Als Beispiele nennt der Experte Aktien von Siemens, Nestlé oder den großen Chemiekonzernen. Auch US-Titel wie Apple, McDonald's oder Microsoft kämen infrage.
Die Zahl der Anleger, die direkt in Aktien investieren, ist laut DAI im ersten Halbjahr 2012 um 791 000 auf 4,9 Millionen gestiegen; das ist ein Plus von immerhin 19,3 Prozent. Betrachtet man auch gemischte Fonds mit Aktienanteil, so hat die Zahl der Anleger mit solchen Wertpapieren in den ersten sechs Monaten 2012 um mehr als eine Million auf 7,2 Millionen Personen zugelegt.
Trotz der "erfreulichen aktuellen Entwicklung" erscheine es aber verfrüht, von einer Stabilisierung der Aktienakzeptanz unter den Privatanlegern auszugehen, meint DAI-Direktor Leven. Davon könne man erst sprechen, wenn die Zahl der Aktienanleger auch in anderen Kapitalmarktphasen unverändert hoch bleibe oder weiter steige. "Auch der internationale Vergleich legt nahe, dass es für eine Entwarnung zu früh ist", sagte Leven. Nicht nur die traditionell kapitalmarktorientierten angelsächsischen Staaten, sondern auch die Niederlande oder Dänemark wiesen höhere Aktionärsquoten auf.