Karlsruhe verhandelt über ESM und Fiskalpakt. Schäuble warnt vor Nein. Gerichtspräsident antwortet auf Helmut Schmidt
Karlsruhe/Berlin. Zum Auftakt der Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts über mehrere Eilanträge gegen die deutsche Beteiligung bei der Euro-Rettung hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Karlsruher Richter massiv unter Druck gesetzt. Schäuble warnte vor schwerwiegenden Konsequenzen, falls das Gericht den Euro-Rettungsschirm ESM und den europäischen Fiskalpakt verhindere oder verzögere.
Ein Stopp des Rettungsschirms könne zu "erheblichen wirtschaftlichen Verwerfungen mit nicht absehbaren Folgen" für die Bundesrepublik führen, sagte der Finanzminister in Karlsruhe. So könne es zu einer verstärkten Spekulation über den Austritt einzelner Staaten aus dem Euro kommen. Die Refinanzierungskosten würden steigen. Der Zweite Senat des Gerichts muss prüfen, ob der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) und der Fiskalpakt mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Nach dem Willen der Kläger soll das Verfassungsgericht Bundespräsident Joachim Gauck vorerst untersagen, die vom Bundestag verabschiedeten Gesetze zu unterzeichnen.
Die Richter wollen sich für ihre Entscheidung über die Eilanträge aber offenbar mehr Zeit nehmen als ursprünglich angenommen. Bisher hieß es, dass der Zweite Senat schon in "wenigen Wochen" über den von den Klägern beantragten Erlass einer einstweiligen Anordnung entscheiden werde. In der Verhandlung betonte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle nun, dass eine mögliche Alternative zu einer Eilentscheidung binnen drei Wochen ein "Zwischenverfahren" wäre. Dieses würde eine "sehr sorgfältige Prüfung" der Rechtslage beinhalten und könne mehrere Monate dauern. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe mahnte, den Karlsruher Richtern mehr Vertrauen zu schenken: "Unsere Verfassungsrichter genießen zu Recht höchste Wertschätzung in unserem Land. Ich vertraue darauf, dass sie eine kluge Entscheidung treffen - und auf die klare proeuropäische Ausrichtung unseres Grundgesetzes", sagte Gröhe dem Abendblatt.
Gerichtspräsident Voßkuhle betonte, der Zweite Senat werde im Eilverfahren trotz der schwierigen Rechtsverfahren "der Versuchung widerstehen, sein Herz über die ein oder andere Hürde zu werfen, sondern mit beiden Füßen auf dem Grundgesetz stehend" über die Anträge entscheiden. Damit reagierte der Gerichtspräsident offenbar auf Altkanzler Helmut Schmidt (SPD), der in der vergangenen Woche an das Verfassungsgericht appelliert hatte, die europäischen Maßnahmen abzusegnen: "Man muss sein Herz über die Hürde werfen. Das gilt ganz gewiss auch für uns Deutsche und ganz gewiss auch für das Bundesverfassungsgericht", hatte Schmidt gesagt.
Während sich die Richter nun intensiv mit den Klagen beschäftigen, soll der Bundestag bereits die nächste Krisen-Entscheidung treffen. Das Parlament kommt nächste Woche Donnerstag zu einer Sondersitzung zusammen, um über die geplante europäische Unterstützung für den spanischen Bankensektor zu beraten.