Wohlfahrtsverband will neben Kitas auch Häuser der Jugend in das Ganztagsangebot für Grundschüler einbinden. Das lehnt der Senat ab.
Hamburg. Jeden Tag um 12 Uhr das gleiche Bild: 50 Schüler der Grundschule Thadenstraße in Altona-Altstadt gehen zusammen ins Haus der Familie an der Schilleroper, ein paar Hundert Meter weiter. Dort singen sie im Chor, turnen in der Sporthalle oder machen mit beim Radioprojekt, als Teil des Schulunterrichts. Die Schule Thadenstraße arbeitet eng mit dem Haus der Familie zusammen. "Wir haben bei der Umstellung auf ganztägige Schule an die bestehenden Angebote im Stadtteil geknüpft", sagt Schulleiter Thomas Niklas. Damit habe die pädagogische Arbeit deutlich an Qualität gewonnen. Die Schule kooperiert sowohl mit dem Haus der Familie als auch mit dem Schülerladen Winklersplatz. Bislang ist das Dreiergespann aber eine Ausnahme.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband will, dass dieses Modell beim geplanten Ausbau von Ganztagsangeboten Schule macht. "Derzeit plant der Senat eine Hortreform, aber das ist uns für die Kinder dieser Stadt zu wenig. Wir möchten, dass alle Angebote für Kinder und Jugendliche, die es jetzt schon in den Stadtteilen gibt, auch vertraglich in die Reform der Ganztagsbetreuung einbezogen werden", sagte der Sprecher des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, Christian Böhme, dem Abendblatt.
+++ Alle Grundschulen werden Ganztagsschulen +++
Dabei geht es um das Modell "Ganztägige Bildung und Betreuung" (GBS), mit dem der Senat zusätzlich zum Ausbau vom Ganztagsschulen die Startchancn der Grundschüler deutlich verbessern will. Eine entsprechende Vereinbarung zwischen Schul- und Sozialbehörde sowie Kita-Trägern ist seit Ende August unterschrieben. In den nächsten beiden Schuljahren sollen mehr als 100 Grundschulen einsteigen. Dafür stellt der Senat 115 Millionen Euro zur Verfügung.
Jetzt laufen die Verhandlungen für einen Landesrahmenplan, in dem die Details geregelt werden - und neuer Ärger um die umstrittene Reform bahnt sich an. "Grundsätzlich ist der Ansatz des Senats richtig, greift aber aus unserer Sicht zu kurz. So werden wir den Vertrag nicht unterschreiben", sagte Verbandssprecher Böhme. Bei ersten Auswertungen an den aktuell 21 Pilotstandorten habe sich gezeigt, dass die bestehenden Angebote in den Stadtteilen stärker einbezogen werden müssten. Das gelte besonders für sozial schwache Gebiete. Das Veto des Verbandes wird die Verhandlungen deutlich verzögern. Der bis zum Jahresende geplante Abschluss des Vertrags gilt als unrealistisch.
Schul- und Sozialbehörde lehnten die Forderungen gestern ab. Vorgesehen sei die Kooperation zwischen Schule und einem Kita-Träger, sagte die Sprecherin der Sozialbehörde, Nicole Serocka, auf Anfrage. Sie machte deutlich, dass eine Ausweitung auf mehrere Vertragspartner nicht angestrebt werde. Allerdings sei die Einbeziehung weiterer Einrichtungen bei der Gestaltung des Ganztagsangebots gewünscht. "Das müssen die Kooperationspartner aber dann untereinander klären."
+++ Ganztägige Betreuung +++
Eine Haltung, die auch andere Kita-Träger kritisieren. "Die Jugendhilfe steht vor großen Umstrukturierungen. Da ist bislang noch nicht alles geregelt, das gilt vor allem für die Finanzierung", sagte Gabi Brasch, Vorsitzende des Fachausschusses Jugendhilfe der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtsverbände. Dass bestehende Beziehungen zu Sozialpädagogen und Erziehern im Zuge der Hortreform abrupt beendet werden sollen, verunsichert viele Eltern. Die reformkritische Hortinitiative "Wo ist Peter? Wo ist Paula?" begrüßte den Vorstoß des Wohlfahrtsverbandes deshalb ausdrücklich. Sabine Buhk vom Landeselternausschuss Kindertagesbetreuung sagte: "Wir wollen eine Hortpädagogik, die eine andere, ganzheitlichere Sichtweise auf die Dinge hat als an der Schule."