Senator räumt “Planungsrisiken“ bei neuer Nachmittagsbetreuung ein. Kritik von Eltern, Hort-Bündnis und Opposition
Hamburg. Das flächendeckende Angebot zur kostenlosen Nachmittagsbetreuung an Grundschulen, das der SPD-Senat bis zum Schuljahr 2013/14 aufbauen will, ist ein ehrgeiziges Projekt, das mit Planungsrisiken behaftet ist. Schulsenator Ties Rabe (SPD) hat die Problembereiche benannt: Es könne zum Beispiel durchaus sein, dass beim Start des Ganztagsangebots an einer Grundschule noch keine funktionsfähige Kantine bereitstehe. "Das kann im Einzelfall bedeuten, dass Eltern und Schule den Beginn mit Bordmitteln bewältigen müssen", sagte Rabe.
Angesichts der offenen Fragen der Reform warb Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) ausdrücklich darum, die Umsetzung mit Optimismus zu begleiten. Doch die Kritik an den Senatsplänen kam gestern prompt. "Die neuen offenen Ganztagsschulen sind nur normale Schulen mit Kinderverwahrung am Nachmittag", sagte Christian Martens vom Hamburger Bündnis für Hortbetreuung. Martens befürchtet vor allem eine Verschlechterung der Qualität der angebotenen Leistungen. "Unter anderem wird sich die Verschlechterung des Erzieherschlüssels negativ für die Kinder auswirken", sagte der Bündnissprecher.
Martens warf der SPD vor, ein Wahlversprechen nicht eingehalten zu haben: "Im Regierungsprogramm steht, dass die SPD die Ganztagsschulangebote ohne Abstriche an der bisherigen Betreuungsqualität einführen wolle." Denselben Vorwurf erhob auch die Elterninitiative "Wo ist Peter? Wo ist Paula?". Initiativensprecherin Kirsten Wischmann bemängelte außerdem, dass die Raumsituation an den Schulen ungeklärt sei. "Am Ende wird es auf einen Multifunktionsraum hinauslaufen: das Klassenzimmer", sagte Wischmann. Dort sollten die Kinder lernen, essen, spielen und Hausaufgaben machen. "Alles an einem Ort und acht Stunden am Tag", kritisierte die Sprecherin.
Rabe kündigte gestern an, dass die Schulen Geld zur Anschaffung geeigneten Mobiliars für die Nachmittagsbetreuung erhalten sollen. Aus Sicht des Senators sind die Klassenräume schon jetzt in vielen Fällen "wohnlich". Das heißt aber auch, dass sich die Kinder zum großen Teil in den Klassenräumen aufhalten werden. Sozialsenator Scheele steuerte eigene Erfahrungen als Vater bei: "Es gibt Schulen, in denen die Aula am Nachmittag umfunktioniert wird: Kinder machen da ihren Gokart-Führerschein oder spielen Theater."
Der Bürgerschaftsabgeordnete Walter Scheuerl, Mitglied der CDU-Fraktion, kritisierte, dass die Bezeichnung Ganztagsschule "irreführend" sei. "Das Modell ist ein staatliches Nachmittags-Hortangebot, das den existierenden Horten Konkurrenz macht", sagte Scheuerl. Das Geld, das der Senat in den Ausbau der Betreuung steckt, solle besser direkt in die Schulen investiert werden.
Der CDU-Familienpolitiker Christoph de Vries begrüßte das Projekt: "Dieser Schritt ist wichtig für Hamburgs Kinder und ihre Eltern." Es sei richtig, dass die SPD ihre Skepsis aus Oppositionszeiten aufgegeben habe. De Vries und CDU-Schulpolitiker Robert Heinemann kritisierten, dass nicht geklärt sei, woher die 30 Millionen Euro kommen, die zusätzlich für die Betreuung ausgegeben werden sollen.
GAL, Linke und FDP begrüßen die Reform im Grundsatz, sehen aber noch viele offene Fragen. Unter anderem geht es darum, woher die zusätzlich benötigten Erzieher kommen sollen, wie das pädagogische Konzept aussieht und wie die Betreuung in den Klassen fünf und sechs aussehen soll.