305 Klassen ziehen in Container. An acht Schulen fehlen neue Räume. Die private Brecht-Schule dagegen feiert den Einzug in den schicken Neubau.
Hamburg. Seit gestern läuft das Leben für Hamburgs Eltern wieder geregelt - das neue Schuljahr hat begonnen. Doch an den Schulen läuft noch längst nicht alles reibungslos, denn an vielen Standorten fehlt es an Platz. Die Verkleinerung der Klassen, der Ausbau der Vorschule, aber auch die Umstellung auf das zweigliedrige Schulsystem mit Stadtteilschulen und Gymnasien und der Ausbau der Ganztagsschule haben dazu geführt, dass Klassenräume fehlen. In diesem Jahr hat die Stadt zwar bereits an 25 Schulen etwa 65 Millionen Euro investiert, dennoch müssen 305 Klassen in mobile Räume ausweichen. Doch noch sind nicht alle Container geliefert worden.
Nach Angaben der Schulbehörde fehlen an acht Schulen insgesamt noch 36 Container. "Es gibt Verzögerungen, weil der Hersteller aus Tschechien etwa zwei Wochen verspätet liefert", sagt Peter Albrecht, Sprecher der Schulbehörde. Zu den Schulen, an denen die Container nicht rechtzeitig montiert werden konnten, gehören neben der Julius-Leber-Schule in Schnelsen auch die Stadtteilschulen Tonndorf, Fischbek und Öjendorf, die Grundschulen In der Alten Forst, Weusthoffstraße und Lutterothstraße sowie das Gymnasium Meiendorf.
Horst Dröse, stellvertretender Schulleiter der Julius-Leber-Schule, muss am ersten Schultag eine kleine Krise nach der nächsten managen. Die Tür zu seinem Büro ist offen. "In meinem Raum stehen drei große Schränke quer", sagt eine Lehrerin, die etwas atemlos hereinstürmt. Dann eine Gruppe Schüler: "Unser Lehrer ist nicht erschienen." Als nächstes kommt ein Lehrer, der bemängelt, dass in seinem Klassenraum das Smart-Board nicht funktioniert. Und das gleich am ersten Tag. Dröse lässt sich seine Gelassenheit nicht rauben. "Alle kommen entspannt aus den Ferien und tragen es mit Fassung", sagt er. Dass die fehlenden sechs Klassencontainer für die neunten Klassen nicht rechtzeitig kommen, wusste die Schule bereits vor den Ferien. Dröse behilft sich mit der Nutzung der Fachräume. Und so gibt Wolfgang Maatz den Deutschunterricht zwischen Gläsern mit Pinseln in einem Fachraum für Bildende Kunst. "Ich habe Fächer mit wenig Organisation. Die Literatur ist vorhanden", sagt der Deutsch- und Philosophielehrer. Ende August, so die Hoffnung aller, sollen dann die Container zur Verfügung stehen.
Auch das Gymnasium Meiendorf mit etwa 780 Schülern wartet noch auf einen mobilen Klassenraum. "Wir machen das auch so, dass wir einen Fachraum nutzen", sagt Schulleiterin Marie-Luise Brauns-Garde. Die betroffene siebte Klasse ziehe solange in den Raum, in dem sonst "Darstellendes Spiel" unterrichtet wird. Die Grundschule In der Alten Forst in Eißendorf hat statt der vier geplanten Klassencontainer übergangsweise einen Behelfscontainer bekommen. "Das ist nicht schön, aber bei der Menge an Containern, die gebraucht werden, kann es eben vorkommen", sagt Schulleiter Andreas Wiedemann, der hofft, dass die vier Klassencontainer nun Ende August wirklich kommen.
Container, manche nennen sie auch Pavillons, hatte die private Brecht-Schule in Hammerbrook auch vier Jahre lang. Acht bis neun Klassenräume ergaben die gestapelten Container, und 10 000 Euro Miete musste die Schule jeden Monat dafür bezahlen. Plus Nebenkosten.
Das ist jetzt Vergangenheit. Heute feiert die Schule an der Norderstraße die Einweihung ihres Neubaus. Sieben Millionen Euro kostete das viergeschossige Haus mit einem Schulhof auf dem Dach neben dem Altbau von 1902. Die Vergrößerung der Schule war notwendig, weil die Schülerzahlen stark angestiegen sind. 1200 Schüler besuchen sechs Schulzweige (Berufs-, Handels-, Grund- und Stadtteilschule sowie Gymnasium und Abendgymnasium), vor sieben Jahren waren es lediglich 400 Schüler. Die Hälfte der Schüler ist hoch, die andere "normal" begabt.
Das Geld für den Neubau hat sich die Schule von privaten Geldgebern geliehen, von der Sparkasse und der KfW-Bankengruppe. Zuschüsse kommen von der Bildungsbehörde. "Außerdem haben wir unseren ehemaligen zweiten Standort am Holzdamm aufgegeben, ein Gebäude dort verkauft. Die Mietausgaben für die Container und für das zweite Gebäude am Holzdamm fallen nun weg", sagt Andreas Haase, der kaufmännische Geschäftsführer.
Der Neubau ist ein Beispiel dafür, wie schön Schulgebäude sein können. Helle Farben, große Fensterfronten, neue Möbel. Jedes Klassenzimmer ist mit einem Differenzierungsraum verbunden, um den Unterricht teilen zu können. Für die Lehrer gibt es Ruheräume mit Liegen, und während in anderen Schulen aus Platzmangel in einem Raum gelernt und gegessen wird, hat die Brecht-Schule eine Mensa, die auch als Aula dient. "Die Kinder waren total glücklich, hatten leuchtende Augen", sagt Klaus Nemitz, pädagogischer Geschäftsführer. Und es scheint mehr als eine Floskel zu sein.