Kritik an Unterricht in Containern. Senator nennt Schulbau “größte Herausforderung“
Hamburg. Diese Chance lässt sich kein Schulsenator, keine Schulsenatorin entgehen: Der Beginn jedes Schuljahres bietet traditionell die Gelegenheit, die Leistungsfähigkeit des Hamburger Schulsystems zu betonen und auch das eigene Wirken ins rechte Licht zu rücken. Da machte auch der neue Schulsenator Ties Rabe (SPD) bei seinem ersten Auftritt dieser Art keine Ausnahme: mehr Schüler, mehr Lehrer, kleinere Klassen und bessere Förderangebote für Schüler.
Doch dass gute Nachrichten auch Probleme bereiten könnten, unterschlug der Senator immerhin nicht. "Die größte Herausforderung ist der Schulbau in den nächsten Jahren", sagte Rabe. Die kleineren Lerngruppen an Grund- und Stadtteilschulen führen zu einem Mehrbedarf von 200 bis 240 Klassenräumen. "Das entspricht umgerechnet dem Neubau von 13 bis 15 Grundschulen", sagte Rabe.
Hinzu kommt, dass die Einführung der Stadtteilschule als zweiter Schulform neben dem Gymnasium zu Leerständen an bisherigen Haupt- und Realschulen führt. "Schließlich wird auch die Inklusion behinderter Kinder an Regelschulen dazu führen, dass einige Sonderschulen leer laufen", sagte Rabe.
Schließlich vergrößert das Programm zum Ausbau von Ganztagsschulen den Raumbedarf. In diesem Jahr sind 29 neue Standorte geplant, sodass insgesamt mittlerweile 192 der 347 staatlichen allgemeinbildenden Schulen Unterricht bis in den Nachmittag hinein anbieten.
Doch auch ohne Reformen ist die Lage prekär: Wie berichtet, müssen im neuen Schuljahr 7200 Kinder in mehr als 300 Containern unterrichtet werden. "Für viele Kinder bedeutet der Unterricht in Containern keine Verschlechterung, weil die mobilen Klassenräume eine Größe von 70 Quadratmetern aufweisen, während es alte Schulbauten mit Klassengrößen von nur 50 Quadratmetern gibt", sagte Rabe. Er wolle die Container aber nicht schönreden und die Provisorien möglichst schnell abschaffen.
Das wird dauern, weil nach den schulpolitischen Wirren der vergangenen zwei Jahre ein Neubaustau herrscht. Vor allem fehlt der neue Schulentwicklungsplan, der die Rahmendaten für den Schulbau liefern soll. Rabe kündigte an, einen ersten Entwurf nun nach den Herbstferien vorlegen zu wollen. Doch das trug dem Senator die heftige Kritik der Opposition ein.
"Der Schulsenator sucht offenbar nur nach Gründen, warum er seine Hausaufgaben leider nicht fertig bekommen hat", sagte der CDU-Schulexperte Robert Heinemann. "Zahlreiche Schulen warten auf dringend benötigte Zubauten, dabei lag der Schulentwicklungsplan schon beim Amtsantritt des Senators auf seinem Schreibtisch", sagte Heinemann. Tausende Kinder müssten auch deswegen in Containern unterrichtet werden, weil Rabe "leichtfertig einen Vorschulplatz für alle" versprochen habe.
Die FDP-Schulpolitikerin Anna von Treuenfels warf dem Senator vor, "sich beim Zusammenkehren des schwarz-grünen Scherbenhaufens in der Schulpolitik auf zu vielen Baustellen zu verzetteln". Wenn Rabe nicht bald "Ordnung in die chaotische Planung der Behörde bringt, gefährdet er auch ohne überflüssige Reformen den Schulfrieden in der Stadt".
Kritik aus entgegengesetzter Richtung übt Stefanie von Berg (GAL). "Ganztagsschulen, Schulbau, Stadtteilschulen und Inklusion - Senator Rabe bindet rote Schleifen um schwarz-grüne Pakete", sagte die GALierin, die allerdings Aussagen Rabes zu individueller Förderung statt Frontalunterricht vermisste. Von einem "holprigen Schulbeginn" sprach Linken-Fraktionschefin Dora Heyenn, die unter anderem monierte, dass nicht alle benötigten Container rechtzeitig zum Schulbeginn aufgestellt sein werden.
Nicht nur die staatlichen, auch die privaten Schulen wachsen. Die nicht-staatlichen Schulen rechnen im allgemeinbildenden Bereich mit einem Zuwachs um 100 auf dann 19 300 Jungen und Mädchen. Der Anteil der Privatschüler liegt in Hamburg bei knapp zehn Prozent.
"Ich wünsche mir keinen weiteren Aufbau von Privatschulen", sagte Rabe deutlich. Es gebe einen Rechtsanspruch auf die Gründung von nicht-staatlichen Schulen. "Den werden wir erfüllen", sagte der Senator. Er hoffe aber, dass die Eltern "zunehmend wieder Vertrauen in das staatliche Schulsystem fassen", nachdem wieder Ruhe nach dem Scheitern der Primarschule eingekehrt sei.