Das Unternehmen Shell hat seine Pläne ausgesetzt , den umstrittenen Biosprit auch im Norden und Westen der Bundesrepublik einzuführen.
Hamburg. Die deutsche Ölindustrie kapituliert vor den Widerständen von Millionen Kunden bei der Einführung des Biokraftstoffs E10. Shell hat gestern bis auf Weiteres seine Pläne gestoppt, den umstrittenen Biosprit auch im Norden und Westen der Bundesrepublik einzuführen. Dies gilt auch für die Tankstellen in Hamburg, wo nach wie vor nur herkömmlicher Treibstoff angeboten wird.
Zudem verkauft Shell wie auch schon Marktführer Aral künftig auch in Süd- und Ostdeutschland wieder das gewohnte Superbenzin. "Der Kraftstoff wird dort künftig zusätzlich zum Biosprit E10 mit zehn Prozent Ethanol angeboten", sagte Jörg Wienke, Chef des Tankstellengeschäfts der Shell in Deutschland. Zwischenzeitlich hatten die Benzinkonzerne an vielen Tankstellen als Alternative zum Biosprit E10 nur das teurere Super Plus mit 98 Oktan im Angebot.
Die Mineralölindustrie hatte E10 zu Jahresbeginn eingeführt, weil die Bundesregierung höhere Beiträge des Autoverkehrs zum Klimaschutz fordert. Super E10 besteht zu zehn Prozent aus Ethanol, das aus nachwachsenden Rohstoffen wie Weizen und Zuckerrüben hergestellt wird. Beim herkömmlichen Kraftstoff E5 sind es nur bis zu fünf Prozent. Viele Autofahrer sorgen sich, dass ihr Wagen E10 nicht verträgt und der Motor schneller verschleißt. Die Hersteller versichern dagegen, dass fast alle neuen Autos in Deutschland problemlos mit E10 betankt werden können. "Die Kunden halten sich bei E10 weiter zurück", begründete Wienke die Wende des Konzerns. "Selbstverständlich sollen die Autofahrer an unseren Tankstellen die Produkte finden, die sie nachfragen." Das herkömmliche Super soll dabei wieder im Vordergrund stehen. Der am stärksten nachgefragte Kraftstoff müsse die Hauptsorte sein, sonst drohten erneut leere Tanks an den Stationen, hieß es. An vielen Tankstellen sei das herkömmliche Super ausverkauft gewesen. Hinzu komme, dass es in den Sommermonaten eine um 20 Prozent höhere Nachfrage gebe.
Die Ölindustrie hatte damit gerechnet, dass etwa 90 Prozent der Autofahrer, deren Pkws nach Angaben der Hersteller E10 vertragen, diesen Treibstoff auch tanken werden. Tatsächlich stagniert ihre Zahl bei 40 Prozent. Langfristig setze Shell aber nach wie vor auf E10, um die staatliche Bioquote zu erfüllen, sagte Konzernsprecher Jörg Adolf dem Abendblatt.
Gemeinsam verkaufen Aral und Shell mehr als 40 Prozent des Kraftstoffs in Deutschland. Der übrige Markt wird sich daher nicht entziehen können und ebenfalls Super E5 wieder anbieten müssen. Die überwiegend im Osten Deutschlands vertretene Tankstellenkette Total ist bereits auf diesem Weg. Ungewiss ist noch, wie groß der Preisabstand zu E10 sein wird.
Auch die mittelständische Energiewirtschaft erwartet, dass kleinere Mineralölfirmen Super E5 wieder in ganz Deutschland anbieten werden. "Die Versorgungsprobleme können mit Super E5 gelöst werden. Leerstände an Tankstellen gehören dann der Vergangenheit an", sagte Steffen Dagger, Geschäftsführer des Verbandes.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat unterdessen Pläne der EU-Kommission zur Erhöhung der Dieselsteuer zurückgewiesen. Ein solcher EU-Beschluss sei nur einstimmig möglich, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Berlin werde sich dem entgegenstellen. Die EU-Kommission will morgen ihre Pläne für eine neue Kraftstoffbesteuerung vorlegen, die auch die CO2-Bilanz berücksichtigt.