Bei ihrer Präsentation in Hamburg kündigte die neue Kultursenatorin Barbara Kisseler an, den Dialog in der Stadtgesellschaft fördern zu wollen.

Hamburg. Mit einer Pressekonferenz im Kurt-Schumacher-Haus hat Hamburgs neuer Erster Bürgermeister Olaf Scholz seine künftige Kultursenatorin Barbara Kisseler der Öffentlichkeit vorgestellt. Die will vor allem den Dialog zwischen den unterschiedlichen Kreisen der Hamburger Stadtgesellschaft in Gang bringen. "Das sehe ich als meine allervordringlichste Aufgabe hier an“, sagte sie am Mittwoch in Hamburg. Natürlich gehe es auch darum, etwa Theatern und Museen Planungssicherheit für ihre Projekte zu verschaffen. Daneben sei es unabdingbar, der freien Kultur mehr Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. "Ich halte das für nötig, weil gerade aus dieser Szene oft genug Impulse kommen.“ Von den Künstlern selbst erhoffe sie sich mehr Selbstbewusstsein, betonte sie. Hamburgs designierter Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) sagte bei der Präsentation seiner neuen Kultursenatorin, die noch die Berliner Senatskanzlei leitet: "Dass man bei der Kultur etwas tun muss (...) das steht aus meiner Sicht seit langem fest.“ Erneut kündigte er an, mehr Geld in die Kultur zu stecken. Konkrete Summen nannte er nicht.

Scholz, der mit seiner SPD bei der Bürgerschaftswahl die absolute Mehrheit erreicht hat, will sich am Montag zum Regierungschef wählen lassen. Seinen Senat will er sich am 20. März erst auf einem SPD-Parteitag und dann am 23. März von der Bürgerschaft bestätigen lassen. Dann sei auch eine erste Regierungserklärung geplant. Kisseler sprach mit Blick auf ihr künftiges Amt von einer "veritablen Herausforderung“. Dass sie anders als ihre Vorgänger nicht für den Sport zuständig sein werde, erleichtere sich. "Da fühle ich mich auch nicht so richtig überzeugend.“ Im Medienbereich, der in der Zuständigkeit der Kulturbehörde bleiben soll, müsse noch geklärt werden, wie das konkret aussehen soll. Insgesamt habe die Behörde die Aufgabe, sich als Anwältin der Künstler zu verstehen, sagte Kisseler. Dabei dürfe sie sich aber nicht auf eine "falsch verstandene Art und Weise fraternisieren“. Sie wünsche sich, dass die Kunst den Alltag, und nicht nur die Sonntage bestimme, sagte Kisseler. Dabei erhoffe sie sich etwas mehr Selbstbewusstsein der Künstler. "Wenn Sie sich das Selbstbewusstsein mancher Banker angucken, mit dem öffentliche Förderungen geltend gemacht worden sind, nachdem man privates Geld verzockt hat, (...) diese Art von Selbstbewusstsein könnten Künstler durchaus verstärkt an den Tag legen.“

Gleichzeitig forderte die 61-Jährige bessere Arbeitsbedingungen für Künstler. So müssten ähnlich wie in Berlin Räume vorgehalten werden, die "nicht in erster Linie ökonomischen Verwertungszusammenhängen“ untergeordnet würden. Das sei in Hamburg sicherlich keine leichte Aufgabe, betonte Kisseler. Sie warnte jedoch davor, Künstler in wenig attraktive Stadtteile abzuschieben, um dann, wenn diese "trocken gewohnt“ und etabliert seien, dort ein anderes Klientel anzusiedeln. Mit Blick auf die noch von der schwarz-grünen Koalition ins Spiel gebrachte Kulturtaxe auf Hotelübernachtungen sagte Kisseler: "Das kann man tun.“ Allerdings müsse dann sicher gestellt werden, dass das Geld auch der Kultur zu gute komme.

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"Mit den Künstlern wurde rüde umgegangen"

Die Hamburger Kulturlandschaft war überrascht von der Berufung von Barbara Kisseler, 61, zur neuen Kultursenatorin - sie nicht. Ein Gespräch mit der Noch-Berlinerin.

Hamburger Abendblatt: Seit wann wissen Sie, dass Sie Kultursenatorin werden?

Barbara Kisseler: Olaf Scholz und ich sind seit Längerem im Gespräch. In der letzten Woche haben wir dann gemeinsam diese Entscheidung getroffen.

Wie waren die Verhandlungen? Haben Sie finanzielle Forderungen gestellt?

Kisseler: Ich denke, was in Hamburg nach dem Desaster der letzten Jahre nottut, ist eine Aufstockung des Kulturetats. Wenn die Bedingungen für die Kultur verbessert werden sollen - sei es für das Schauspielhaus oder für die Stiftung Historischer Museen - geht es nicht nur, aber auch um Geld.

Haben Sie eine Mindestsumme genannt, unter der Sie nicht kommen werden?

Kisseler: Nein, wir sind ja nicht auf dem türkischen Basar. Ich mache das nicht an 500 000 Euro mehr oder weniger fest. Darum geht es auch nicht. Es geht darum, dass es ein valides Bekenntnis zur Notwendigkeit der Steigerung des Kulturetats gibt. Das hat es gegeben. Über die Einzelheiten der Ausgestaltung bei den einzelnen Institutionen oder bei einem möglichen Topf für Projektförderung für die freie Szene - den ich ganz wichtig finde, den ich auch gerne installieren möchte - sind wir uns in der Sache einig geworden. Konkrete Zahlen werde ich Ihnen nicht nennen.

Was haben Sie in den vergangenen Monaten von der Hamburger Kulturlandschaft mitbekommen?

Kisseler: Ehrlich gesagt: nicht das Beste. Und das hat mich insofern bekümmert, als ich weiß, zumindest bei einigen Institutionen und Künstlern, die ich kenne, dass sie diesen Umgang nicht verdient haben. Hamburg hat wirklich ein riesengroßes kulturelles Potenzial, mit dem man aber respektvoll umgehen muss. Man muss dieser "Szene", wenn ich das so sagen darf, egal ob Institution oder Einzelperson, Wertschätzung entgegenbringen. Das ist eine Prämisse, die unabdingbar ist. Und da hat mich manchmal sehr erstaunt, mit welcher Rigidität, mit welcher fast rüden Art mit Künstlern umgegangen worden ist.

Welche Hamburger Kulturorte kennen Sie persönlich?

Kisseler: Ich kenne gut das Thalia-Theater, auch noch aus den Zeiten von Uli Khuon, ich kenne die Deichtorhallen und einige Bücherhallen sowie das Hamburger Museum für Arbeit - und natürlich auch viele handelnde Personen. Sabrina van der Ley zum Beispiel ...

... die ja bald weg ist ...

Kisseler: ... die leider bald weg ist. Ich habe nicht den Anspruch, dass ich alles bereits komplett kenne. Aber ich werde natürlich als Erstes ein straffes Programm mit Gesprächen und Vor-Ort-Terminen haben.

Welche drei Namen fallen Ihnen spontan ein, wenn Sie an die Hamburger Kultur denken?

Kisseler: Joachim Lux, Amelie Deuflhard, Harald Falckenberg.

Welches sind aus der Ferne gesehen die dringendsten Probleme in Hamburg?

Kisseler: Sowohl die Diskussion über die Hamburger Museen im Einzelnen als auch über das Stiftungsmodell bei den Historischen Museen war in Teilen wirklich deprimierend. Die Häuser brauchen Sicherheit und müssen auch planen. Darauf werde ich mich sicher als Erstes konzentrieren.

Kommt die Kulturtaxe?

Kisseler: Das ist ein ganz ambivalentes Thema. Wir diskutieren das hier in Berlin auch, und ich habe da noch keine abschließende Meinung. Man kann natürlich sagen, das sei naheliegend, wenn man Stadt, Kultur und Tourismus zusammendenkt. Wenn das Geld eins zu eins im Haushalt in die Kultur fließen könnte und das in Absprache mit dem Finanzsenator gesichert wäre, kann man sich das vorstellen. Aber wenn das Geld in den allgemeinen Topf geht, bin ich davon nicht so begeistert.

Wie viel Berlin werden Sie nach Hamburg bringen?

Kisseler: Es geht nicht darum, wie berlinisch Hamburg wird, sondern darum, wie sehr Hamburg in der Kultur wieder zu sich selbst findet. Zu dem, was diese Stadt eigentlich ausmacht. Und wie man es schafft, dass sie ihren selbst gesetzten Anspruch einlöst, Kulturmetropole zu sein - neben Berlin und unabhängig von Berlin. Ich glaube, man kann bestimmte Modelle wie das mit dem Projekttopf, das ich eben genannt habe, Hamburg-adäquat implantieren. Ansonsten sollte man wirklich auf den eigenen Produktionsbetrieb setzen.

Sind Sie eine Freundin des Kultur-Sponsorings, oder sehen Sie eher die öffentliche Hand in der Verantwortung?

Kisseler: Zuerst, denke ich, ist in der Tat die öffentliche Hand für ihre eigenen Institutionen zuständig. Und dann muss sie dafür werben, dass diese Verantwortung von anderen Mitgliedern der Stadtgemeinschaft ebenso wahrgenommen wird. Aber die Reihenfolge muss klar sein.

Was macht Sie für Ihre neue Aufgabe so kompetent?

Kisseler: Diese Frage sollten vorrangig andere beantworten. Aber ich glaube, dass die Erfahrung, die ich im Zusammenspiel von Politik, nicht immer kompetenter Kulturpolitik und Kulturverwaltung gemacht habe, sehr wichtig ist. Und dass ich mich immer als jemand verstanden habe, der sich als Anwältin für die Künstler und die Kunstinstitutionen begreift. Diese Art von Vermittlerrolle und Ansprechpartner zu sein, die braucht man bei diesen Querdenkern, bei diesen subversiven Zweiflern oder wie immer man Künstler sonst noch nennen mag.

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