Appell an alle Parteien: Hamburg muss den Sparkurs trotz höherer Einnahmen halten. Der Haushalt erlaube keinen Spielraum für Wohltaten.
Hamburg. Der Hamburger Rechnungshof hat die Politik eindringlich ermahnt, vor der Bürgerschaftswahl am 20. Februar keine Geschenke zu verteilen oder zu versprechen. Mit Blick auf die prekäre Haushaltslage der Stadt sagte Rechnungshof-Präsident Jann Meyer-Abich dem Abendblatt: "Es gibt keinen Spielraum für Wohltaten. Und die Bürger haben einen Anspruch darauf, die Wahrheit zu erfahren."
Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) hatte jüngst beim CDU-Parteitag angekündigt, die bereits umgesetzte Erhöhung der Kita-Gebühren und auch die vom Senat beschlossene Kürzung des Weihnachtsgelds für Beamte zurücknehmen zu wollen. Beides zusammen hätte die Ausgaben um etwa 130 Millionen Euro pro Jahr gesenkt. Ahlhaus' einzige Bedingung für die Rücknahme der Beschlüsse: eine positive Entwicklung der Steuereinnahmen. "Wenn es die Haushaltslage hergibt, und nach allen Prognosen wird sie es nach der Mai-Steuerschätzung hergeben, dann sind diese Themen wieder vom Tisch", hatte Ahlhaus gesagt.
Diese Argumentation hält der Rechnungshof, der über die sparsame und ordnungsgemäße Verwendung der städtischen Finanzen wacht, für bedenklich: Die Planung des Senats sehe vor, dass Hamburg in diesem Jahr 2,1 Milliarden Euro neue Schulden macht, 2011 etwa 1,6 Milliarden Euro und 2012 noch mal 1,3 Milliarden - "und das bei einem Schuldenstand von 25 Milliarden Euro", sagte Meyer-Abich und betonte: "Wenn die Steuereinnahmen jetzt einige Hundert Millionen Euro höher ausfallen als erwartet, wäre nur der Abgrund, in den wir blicken, nicht ganz so tief." Jede neue Regierung müsse daher "vom ersten Tag an" sparen.
Ahlhaus hatte ursprünglich den strikten Sparkurs des damaligen Finanzsenators Carsten Frigge (CDU) unterstützt. Um gut 500 Millionen Euro pro Jahr sollten die Ausgaben der Stadt reduziert werden - auch mit Blick auf das gesetzliche Schuldenverbot für öffentliche Haushalte, das 2020 in Kraft tritt. CDU-Finanzexperte Thies Goldberg verteidigt den Kurswechsel: Wenn die Stadt mehr Steuern einnehme als erwartet, entfalle ein Grund für Sparmaßnahmen. "Dann können wir die überproportionale Belastung der Mitarbeiter im öffentlichen Dienst reduzieren." Die Haushaltskonsolidierung bleibe aber ein "mittelfristiges Ziel".
Auch SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz hatte angekündigt, die Kitagebührenerhöhung nach der Wahl sofort wieder zu kassieren. Offen lässt der SPD-Chef noch, ob er auch die Gehaltskürzung für die Beamten rückgängig machen würde. Angesichts der unklaren Haushaltslage wäre es unseriös, Versprechungen zu machen, sagte er.
Unterdessen erhalten die von Umfragen genährten Hoffnungen der SPD einen Dämpfer, bei der Wahl eine absolute Mehrheit in der Bürgerschaft zu erreichen. Der Grund dafür ist der Verzicht der Volksinitiative gegen die Primarschule auf Gründung einer Partei und die Ankündigung ihres Sprechers Walter Scheuerl, stattdessen für die CDU zu kandidieren. "Wenn eine Scheuerl-Partei angetreten wäre, es aber nicht in die Bürgerschaft geschafft hätte, wären rechnerisch weniger Stimmen für eine absolute Mehrheit notwendig gewesen", sagte der Chef des Meinungsforschungsinstituts Psephos, Hans-Jürgen Hoffmann. "Diese Möglichkeit entfällt jetzt."