Oberlandesgericht nennt Preisanpassungsklausel von E.on Hanse “nichtig“. Energieversorger will versuchen, Richter noch umzustimmen.

Hamburg. Der Prozess findet erst nächste Woche statt. Aber schon jetzt bekommen 54 Hamburger, die den Gasversorger E.on Hanse wegen der Preiserhöhungen der vergangenen Jahre verklagt hatten, Rückenwind vom Hanseatischen Oberlandesgericht. In einem Schreiben an die Prozessbeteiligten, das dem Abendblatt vorliegt, nennen die Richter die von E.on Hanse in den Lieferverträgen verwendete Preisanpassungsklausel "intransparent" und damit "nichtig". Jetzt können sich nicht nur die 54 Kläger, sondern Tausende Hamburger Hoffnungen auf erhebliche Rückzahlungen machen.

"Für die Verbraucher zeichnet sich ein Sieg vor Gericht ab", sagte der Hamburger Rechtsanwalt Joachim Bluhm dem Abendblatt. Er vertritt die 54 Bürger, die mit Unterstützung der Verbraucherzentrale Hamburg klagen und allesamt Teile ihrer Gasrechnung einbehalten haben. Nach Bluhms Schätzung können nach dem Urteil mindestens 5000 Kunden, die gegen vergangene Preiserhöhungen Widerspruch eingelegt haben, gezahlte Beträge von E.on Hanse zurückfordern. Auch müssten sie zuvor einbehaltenes Geld nicht an den Versorger überweisen. Es geht dabei um vierstellige, in Einzelfällen sogar fünfstellige Summen. Allein für 2009 könnten grob geschätzt 35 Prozent der Jahres-Gasrechnung zurückgefordert werden. Die Verjährungsfrist der Forderungen beträgt drei Jahre.

E.on Hanse will versuchen, die Richter noch umzustimmen. "Wir arbeiten an neuen Schriftsätzen", sagte Sprecherin Iris Franco dem Abendblatt. Diese sollen das Gericht beim Prozess am 17. November davon überzeugen, dass die strittige Preisanhebung doch rechtens war. Zudem, so E.on Hanse, werde das Urteil nur die 54 Kläger betreffen. In seinen Schriftsätzen an das Gericht hatte das Unternehmen allerdings ganz anders argumentiert. Darin warnt E.on Hanse davor, dass ihm Rückforderungen durch Kunden in Höhe von 749 Millionen Euro drohen, falls die Preisklausel gekippt wird. Die OLG-Richter ließen sich von den Sorgen des Konzerns offenbar nicht beeindrucken. Nach ihrer Auffassung ist dies für das jetzige Verfahren "irrelevant".

Sogar Kunden, die immer vorbehaltlos ihre Gasrechnung bezahlt haben, hätten - wenn die Klausel fällt - vermutlich eine Chance auf die Rückerstattung von zu viel gezahlten Gaskosten. Allerdings müsste jeder Fall einzeln eingeklagt werden. Die Kunden könnten sich auf den Bundesgerichtshof (BGH) stützen, der bereits 2009 gegen den Gasversorger EWE entschieden hat, dass Verbraucher bei ungültigen Preisklauseln Geld wegen überhöhter Gaspreise zurückfordern können. "Der BGH hat schon in einem Dutzend Fällen Preisanpassungsklauseln von Versorgern gekippt. Die von E.on Hanse ist die intransparenteste", sagte der Energierechtsexperte Kurt Markert.

Das Verfahren vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht ist für E.on Hanse das erste in dieser Instanz. Derzeit laufen zudem Hunderte Prozesse vor Amtsgerichten. Der Blankeneser Amtsrichter Olaf Riecke etwa erstritt vor dem Amtsgericht Altona eine Rückzahlung von 4700 Euro für drei Jahre Gasbezug. Wegen älterer Forderungen berief sich E.on erfolgreich auf Verjährung und rief die nächsthöhere Instanz an. Riecke wartet nun auf die Entscheidung des Landgerichts. Dabei hätte er auch einem Vergleich zugestimmt. "Wenn mir das Unternehmen nur zehn Prozent meiner Forderung überwiesen hätte, hätten wir die Sache außergerichtlich beenden können", sagt er.