Die Planfeststellung für die Vertiefung der Fahrrinne der Elbe wird erst Anfang 2011 vorgelegt. Der Druck auf den Hamburger Hafen wächst.

Hamburg. Es wird eng für Hamburg. Im September 2006 initiierten der Bund und die Hansestadt ein Planfeststellungsverfahren, um die Fahrrinne der Elbe für größere Schiffe vertiefen zu lassen , vor allem im Sinne der wachsenden Containerschifffahrt. Mehr als vier Jahre und drei Planänderungen später steht noch immer nicht fest, ob das Elbfahrwasser vertieft und verbreitert werden darf. "Es wäre wünschenswert, wenn schon im nächsten Jahr mit den Baggerarbeiten begonnen werden könnte. Das ist zumindest dringend notwendig", sagt der seit August amtierende Wirtschaftssenator Ian Karan (parteilos). Es sei "sein innigster Wunsch", dass der Beschluss zur Planfeststellung bald vorliege.

Manch erstaunlicher Wunsch wird erfüllt, bei diesem aber ist Skepsis berechtigt. Am Dienstag will Hans-Heinrich Witte, Präsident der Kieler Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord des Bundes, in Hamburg erläutern, warum seine Behörde die Planfeststellung nicht wie erhofft in diesem Jahr vorlegen wird, sondern wohl im ersten Quartal 2011.

Die Reedereien und Hafenunternehmen erwarten endlich Vollzug

Drei wesentliche Hürden müssen die Planer der Elbvertiefung und -verbreiterung nehmen: Sie brauchen die Zustimmung der Europäischen Kommission - daher müssen mögliche Verstöße gegen das europäische Naturschutz- und Umweltrecht vermieden werden. Gleichwohl werden Umweltverbände wie der BUND die Planfeststellung nach eigenem Bekunden in jedem Fall juristisch angreifen, was zu weiteren langwierigen Verzögerungen bei der Umsetzung führen - oder das gesamte Projekt gefährden könnte. Drittens benötigen Hamburg und der Bund die Zustimmung der Anrainer Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Als kritisch gilt von Beginn an vor allem die Lage in den niedersächsischen Gemeinden an der Unterelbe, speziell rund um Cuxhaven. Sie fürchten um die Sicherheit ihrer Deiche. Im September 2011 werden die Kommunalparlamente in Niedersachsen neu gewählt. Je näher eine Entscheidung über die Elbvertiefung an dieses Datum heranrückt, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Landesregierung in Hannover zu diesem Zeitpunkt zustimmt.

Der ökonomische Druck auf Hamburg wächst. Denn seit etwa zwei Jahren geht eine neue Generation von Großcontainerschiffen in Fahrt. Die Frachter tragen 13 000 bis 14 000 Containereinheiten (TEU) und verzeichnen voll abgeladen einen Tiefgang von 15 Metern. Rund 180 dieser Schiffe sind bereits im Einsatz oder werden von den Werften in Südkorea in den kommenden Jahren noch abgeliefert. Einige dieser Megafrachter wie die "Christophe Colomb" der französischen Reederei CMA CGM oder die "Maersk Edinburgh" der dänischen Maersk-Linie laufen Hamburg seit dem Sommer bereits an - allerdings müssen die Reedereien auf bis zu 40 Prozent Ladung verzichten, weil die Schiffe die Elbe sonst nicht passieren könnten.

An einigen kritischen Stellen soll das Fahrwasser der Elbe um einen Meter vertieft werden. Zudem ist eine Verbreiterung der Fahrrinne bei Wedel geplant, damit die Großschiffe einander besser passieren können. Nach der geplanten Vertiefung sollen Schiffe die Elbe unabhängig von der Tide mit einem Tiefgang von 13,50 Metern befahren können. Aus Hamburg auslaufende Schiffe könnten dann mithilfe der Flutwelle bis zu 14,50 Meter tief gehen. Die heutzutage größten Containerschiffe würden Hamburg dann zwar noch immer nicht mit voller Ladekapazität ansteuern. Aber die Reedereien könnten diese Schiffe mit deutlich höherer Auslastung als bislang und mit einer höheren Frequenz die Elbe hinauf- und hinunterschicken.

Schifffahrtsunternehmen machen offen und hinter den Kulissen Druck auf die deutsche Politik, die Elbvertiefung zu beschleunigen. Beim Chinabesuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Sommer forderte Wei Jiafa, Chef der chinesischen Cosco-Reederei, nicht nur eine zügige Umsetzung des Planverfahrens, sondern gleich auch noch eine deutliche Vertiefung darüber hinaus. Klaus-Dieter Peters, Chef des Hafenkonzerns HHLA und Präsident des Unternehmensverbandes Hafen Hamburg (UVHH), mahnte Ende Oktober den Vollzug an. Es gelte, den "Vertrauensvorschuss" der Reedereien zu würdigen, die ihre Großschiffe unter schwierigen Bedingungen bereits jetzt nach Hamburg schickten. Die Hafenwirtschaft fürchtet, dass Liniendienste mit solchen Frachtern künftig verstärkt über Rotterdam laufen könnten.

In Hamburg ist man sich des Zeitdrucks ebenso bewusst wie der eigenen Hilflosigkeit. "Man hätte bei diesem Projekt nie konkrete Fristen nennen dürfen", sagte ein Insider dem Abendblatt, "denn Hamburg ist schlicht und einfach nicht Herr des Verfahrens."