Ab März sollen Richter im Sinne der Jungen und Mädchen entscheiden können. Das war nach der bisherigen Rechtslage so nicht möglich.
Hamburg. Die Urteile von Richtern zum Thema Kinderlärm gellen vielen Hamburgern noch in den Ohren. In deren Folge musste die Kita Marienkäfer zunächst umziehen, später eine Lärmschutzwand errichten. Die Kita an der Reventlowstraße in Othmarschen wurde zunächst geschlossen und durfte später mit der Hälfte der Kinder wieder eröffnen. Auch in Lokstedt protestierten Anwohner gegen den Bau einer Kita. All das soll nun ein Ende haben. Mit dem neuen Hamburger Lärmschutzgesetz, das der Senat noch im März verabschieden will, soll den Kindern und den Geräuschen, die sie verursachen, Vorrang eingeräumt werden.
Der genaue Wortlaut des Gesetzes ist noch nicht bekannt, es soll aber deutlich über die bisherige Hamburger Regelung und auch über das vor einer Woche in Berlin verabschiedete Landesimmissionsschutzgesetz hinausgehen. Das kann nur bedeuten, dass dem Lärm von Kindern künftig Vorrang eingeräumt wird, Nachbarn und Anwohner diesen also ertragen müssen.
In Hamburg wird das Thema Kinderlärm zurzeit noch in einem nachträglich eingefügten Passus im "Hamburgischen Gesetz zur Ausführung des Achten Buches Sozialgesetzbuch - Kinder- und Jugendhilfe" geregelt. Dort heißt es: "Durch kindliches Spielen erzeugter Lärm im Bereich von Kindertageseinrichtungen oder Schulen ist eine notwendige Ausdrucksform und Begleiterscheinung des kindlichen Spielens, der nicht generell unterdrückt oder auch nur beschränkt werden kann. Kinderlärm ist daher als selbstverständlicher Ausdruck kindlicher Entfaltung hinzunehmen. Erziehung zur Rücksichtnahme auf Nachbarn ist Bestandteil des pädagogischen Auftrages der Kindertageseinrichtungen und der Schule."
Das Problem: Nach der Einführung dieses Passus in das bestehende Gesetz erwies es sich als "Papiertiger" ohne Wirkung. Die Formulierung im Jugendhilfegesetz sei lediglich ein Appell, wie Richter schon kurz nach Verabschiedung feststellten. Ein gesetzliches Regelwerk existiere bisher nicht, so die Richter.
Zwar mit Verspätung - denn angekündigt war das Gesetz schon für 2009 - soll nun aber genau diese Regelung kommen. Künftig sollen Gerichte neben den Bestimmungen des Bundesimmissionsschutzgesetzes zum Thema Lärm ein eigenes Hamburger Lärmschutzgesetz an die Hand bekommen, in dem das Thema Kinderlärm explizit geregelt ist. So soll es den Richtern möglich sein, "in Zukunft im Sinne der Kinder zu entscheiden", sagte Volker Dumann, Sprecher der für das Gesetz zuständigen Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU), dem Abendblatt. Das neue Lärmschutzgesetz werde noch "deutlicher differenzieren" und noch klarer sein als das Berliner Gesetz, heißt es aus der Behörde.
Im Berliner Gesetz steht: "Störende Geräusche, die von Kindern ausgehen, sind als Ausdruck selbstverständlicher kindlicher Entfaltung und zur Erhaltung kindgerechter Entwicklungsmöglichkeiten grundsätzlich sozialadäquat und damit zumutbar."
Der Streit um ein eigenes Hamburger Lärmschutzgesetz und den Vorrang für Kinderlärm dauert schon Jahre an.
Bereits im Herbst 2007 stritt die damalige CDU-Alleinregierung mit der Opposition über die Regelungen zum Kinderlärm. Ausgerechnet der heute zuständige BSU-Staatsrat Christian Maaß (GAL) wetterte damals als Fraktionsvize gegen den Senat. "Es ist ein Skandal, dass eine Kita nur entstehen kann, weil eine Mauer darum gebaut wird", sagte er damals. Die CDU habe ein "Placebo-Gesetz" verabschiedet, das Kitas nicht vor überzogenen Lärmklagen schütze, so Christian Maaß im Jahr 2007. Es ist derselbe Mann, der nun dafür mitverantwortlich ist, das neue Gesetz auf den Weg zu bringen. Auf die Frage, warum es trotzdem so lange gebraucht hat, ein Gesetz auszuarbeiten, heißt es aus der Stadtentwicklungsbehörde, es gebe noch behördenübergreifenden "Abstimmungsbedarf".
Stephan Müller (CDU) nimmt die Verzögerung gelassen hin. "Es soll lieber gründlich gemacht werden, um nicht anfechtbar zu sein", so Müller. Er wolle aber darauf dringen, dass das Gesetz nun zeitnah in Kraft trete und "rechtssicher und verbindlich" sei. Dabei sei es ganz klar, dass die Kinder Vorrang haben müssten. Dennoch dürften die Rechte der Nachbarn nicht zu sehr eingeschränkt werden. Die Gesetzesvorlage ist ihm bisher noch nicht bekannt. Im Senat stehen laut Behörde aber alle Zeichen auf Grün, dass das Gesetz nach jahrelangen Debatten nun tatsächlich kommt.