Hamburgs Regierungschef Ole von Beust (CDU) ist am Sonntag wenige Stunden vor Auszählung des Volksentscheids zur umstrittenen Schulreform der Stadt zurückgetreten. abendblatt.de dokumentiert seine Rücktrittserklärung in Auszügen:

Hamburg. „Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen mitteilen, dass ich heute dem Präsidenten der Hamburgischen Bürgerschaft meinen Rücktritt vom Amt des Ersten Bürgermeisters der Freien Hansestadt Hamburg mit Wirkung zum 25. August 2010 mitgeteilt habe.

Lassen Sie mich erläutern, warum: Die biblische Erkenntnis, alles hat seine Zeit, gilt auch für Politiker. Selbstverständlich gilt sie auch für mich. In dieser Erkenntnis habe ich mich entschieden, bei den Wahlen im Jahr 2012 nicht wieder als Bürgermeister-Kandidat anzutreten. Bereits jetzt arbeite ich seit mehr als 32 Jahren, spätestens seit meiner Wahl zum Abgeordneten der Hamburgischen Bürgerschaft im Jahr 1978 in der hamburgischen Landespolitik, davon seit 17 Jahren in politischen Spitzenämtern für die CDU und für unsere Stadt, von 1993 bis zum Jahr 2001 als Fraktionsvorsitzender der Hamburger CDU in der Bürgerschaft, seit 2001 bis heute als Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg. Und in diesem Zeitraum bin ich bereits viermal als Spitzenkandidat der Hamburger Union angetreten. Aufgrund meiner Erfahrung bin ich überzeugt, dass ein fünftes Mal schon aufgrund des geschilderten Zeitablaufes der politischen Vernunft widerspricht.

Was den Zeitpunkt meines Rückzuges angeht, bin ich in den letzten Tagen zu der Überzeugung gelangt, dass dies heute unabhängig vom Ausgang des Volksentscheids der vernünftige Zeitpunkt ist. In den Monaten, als es auch in Hamburg darum ging, die Auswirkung der größten Finanz- und Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg für unsere Stadt zu minimieren, gegenzusteuern, hätte ich einen Rückzug aus der Politik für verantwortungslos gehalten. In den Wochen und Monaten ging es darum, schnell und effektiv ein Hamburger Konjunkturprogramm zu verabschieden, die Sanierung der HSH Nordbank mitzugestalten und Hamburg als maritimen Standort – insbesondere, als es um die Rettung der größten deutschen Reederei Hapag Lloyd ging - zu festigen.

Im Anschluss daran war es mir wichtig, meinen Beitrag zum Erfolg der Schulreform zu leisten. Das Ergebnis der Volksabstimmung wird daher auch mein Ergebnis sein. Zum anderen wollte ich während der Abstimmungswochen eine Überschattung des Themas Schulreform durch eine Personaldiskussion verhindern. Darum also heute! Ich habe dementsprechend heute Morgen dem CDU-Fraktions- und Parteivorsitzenden, Herrn (Frank) Schira und Herrn Senator (Christoph) Ahlhaus sowie die Spitze des Koalitionspartners darüber informiert. Selbstverständlich ist die Bundeskanzlerin und Parteivorsitzenden, Frau Dr. (Angela) Merkel, unterrichtet. Ich bin Frau Merkel für ihren freundlichschaftlichen Rat und ihre verständnisvolle Haltung ausgesprochen dankbar.

Jetzt braucht ein Nachfolger Zeit, um sich inhaltlich und persönlich profilieren zu können. Dafür scheint mir ein Zeitraum von circa einem Jahr, bis der Vorwahlkampf im nächsten Jahr beginnen wird, ein notwendiger Zeitraum zu sein. Dies gilt umso mehr, als im Herbst dieses Jahres durch die Einbringung des Haushalts für die Jahre 2011 und 2012 die entscheidende politische Weichenstellung für die nächsten Jahre erfolgt. Diese soll dann mein Nachfolger treffen.“

„Ich blicke mit Dankbarkeit und Befriedigung auf die Jahre meiner politischen Arbeit in Hamburg zurück. Ich denke, in diesen Jahren gemeinsam mit meinen politischen Freunden und dem jetzigen Koalitionspartner viel erreicht zu haben (...). So erfüllt es mich mit Freude, dass im Vergleich mit anderen deutschen Großstädten trotz aller Probleme die soziale Struktur unserer Stadt gut ist.

Der Grundsatz der schwarz-grünen Koalition, die ehemaligen Gegensätze von Ökonomie und Ökologie zu versöhnen, nimmt immer mehr Gestalt an. Die europäische Einstufung Hamburgs als Green Capital 2011, die wirtschaftlich erfolgreichen und immer mehr werdenden Unternehmen im Bereich der erneuerbaren Energien und die Einbindung wichtiger Infrastrukturmaßnahmen in ein umwelt- und klimapolitisches Gesamtkonzept machen dies deutlich.

Ich habe, meine Damen und Herren, nicht den geringsten Zweifel, dass auch ohne mich diese Arbeit aufgrund des inhaltlich und persönlich vertrauensvollen Zusammenwirkens im Senat und zwischen den Regierungskoalitionen fortgesetzt werden wird. Im Zusammenhang mit meiner Demission möchte ich Sie darüber informieren, dass zeitlich mit mir die Senatorin Frau Professor Karin von Welk und der bisherige Chef der Senatskanzlei, Dr. Volkmar Schön, sich aus der politischen Arbeit zurückziehen werden.

Meine Damen und Herren, natürlich ist es heute nicht mein Abschied. Ich nehme aber die Gelegenheit wahr, vielen Hamburgerinnen und Hamburgern für die jahrelang, zum Teil jahrzehntelange Unterstützung, Sympathie, aber auch kritische Begleitung zu danken. Aufgrund meiner persönlichen Verankerung innerhalb der Hamburger CDU, bei der Freude am Amt des Bürgermeisters, der Nähe zu vielen und der besonderen Nähe, gerade zu meinen persönlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, habe ich mich trotz auch schwieriger Stunden in diesem Amt niemals einsam, sondern immer gut aufgehoben gefühlt.

Ich wünsche meinem Nachfolger von Herzen, dass es ihm ähnlich gehen darf. Herzlichen Dank.“