Noch in den 1960er-Jahren lehnten die Hanseaten Container ab. Doch dann machte die praktische Transportbox Hamburg zum Welthafen.
Hamburg. Draußen am Kai liegen drei Überseeschiffe, Frachter der Reedereien Hapag-Lloyd, APL und NYK. Die Be- und Entladung ist in vollem Gang, die Hebevorrichtungen der Containerbrücken rauschen an ihren Trossen auf die Schiffsdecks herab, sie stellen die 20 bis 30 Tonnen schweren Kisten auf die Schiffe oder holen sie an Land. Es geht wieder aufwärts am Containerterminal Altenwerder, nach einer Rezession von mehr als eineinhalb Jahren.
Im gut gedämmten Steuerungsraum des Terminals sitzen die Männer der Schicht und überwachen die Anlage mit ihren vollautomatisch fahrenden Hubwagen und ferngelenkten Containerbrücken. Der HHLA-Terminal Altenwerder ist der modernste der Welt. "Die Mitarbeiter hier sind hoch qualifizierte Spezialisten", sagt Geschäftsführer Ingo Witte. "Mit dem alten Berufsbild des Hafenarbeiters hat das längst nichts mehr zu tun. Und wenn wir in Hamburg wieder mal einen neuen Terminal bauen würden, wäre der sehr nah am Design dieser Anlage."
Einen neuen Terminal wird Hamburg allerdings so bald nicht brauchen. Denn die Unternehmen im Hamburger Hafen machten im Jahr 2009 eine Erfahrung, die sie bis dahin nicht kannten: Der Containerverkehr auf den Hamburger Terminals brach um ein Drittel ein. Aktuell sieht es zum Glück schon wieder besser aus: Der HHLA-Terminal Tollerort, für den vor einigen Monaten noch die Einmottung geplant wurde, bleibt jetzt doch in Betrieb. Auch die anderen drei Großterminals Burchardkai und Altenwerder (jeweils HHLA) sowie der Eurogate-Terminal sind wieder gut ausgelastet.
Der Container ist das wichtigste Transportmittel für Güter im modernen Welthandel. Fast alles, was in die Stahlkiste hineingepackt werden kann, wird heutzutage auch darin befördert - seien es Lebensmittel oder Getränke, Textilen oder Möbel, sei es Stahl oder Holz. Vor allem aber stecken in den Millionen Containern Bauteile für die Industrie. Die Kosten für den Transport per Schiff sind für jedes einzelne Stück nahezu verschwindend gering. Eine Flasche Wein kommt aus Australien oder Südafrika für einige Cent nach Hamburg, ein Fernsehgerät aus China für einige Dollar. "Ohne den Container als ein unschlagbar günstiges Transportmittel wäre die Globalisierung, wie wir sie heute erleben, nicht möglich", sagt der Bremer Hafenmanager Detthold Aden, der auch Präsident des Branchenverbandes ZDS ist.
Der Hamburger Hafen wurde mit der Einführung des Containers zum Welthafen. Zunächst allerdings glaubten viele Hafenmanager und Politiker in der Stadt nicht an das neue System. Der amerikanische Spediteur und Reeder Malcom McLean setzte seit Ende der 50er-Jahre Container ein, zunächst vor allem in den USA, seit den 60er-Jahren weltweit. Nachdem die Kisten international gültige Standardmaße erhalten hatten, stiegen immer mehr Reedereien vom konventionellen Stückgut-Umschlag auf die genormten Boxen um. Hamburgs früherer Hafensenator und HHLA-Chef Ernst Plate ließ sich davon nicht überzeugen. "Die Kiste kommt mir nicht in meinen Hafen", sagte er Anfang der 60er-Jahre. Viele deutsche Reeder verspotteten die neuen Containerfrachter als "Schachtelschiffe". Der Siegeszug der Kiste ließ sich dadurch allerdings nicht aufhalten. In Bremen war bereits 1966 der erste Container angelandet. Hamburgs damaliger Hafensenator Helmuth Kern erkannte, dass nun etwas geschehen musste. Vom Bremer Senat wurde er umworben, für den Containerumschlag einen gemeinsamen "Hansaport" in Bremerhaven zu errichten. Das lehnte Kern jedoch ab und begann mit der HHLA und Eurokai den Aufbau von Terminals in Hamburg.
1968 brachte die "American Lancer" der Reederei United States Lines die ersten Container in die Hansestadt. Bald darauf hatte Hamburg Bremen beim Containerumschlag überholt. In der Hafenwirtschaft brachte der Container die tiefste Zäsur seit Jahrhunderten. Noch bis in die 80er-Jahre hinein wurden die Güter auf den Kaianlagen in traditioneller Weise umgeschlagen, in Säcken, Gebinden, Fässern oder Kisten. Gabelstapler und Kräne dienten zwar als Hilfsmittel - doch im Vergleich erwies sich der Stückgutverkehr gegenüber dem Container als hoffnungslos veraltet und unterlegen. Mithilfe der Stahlkisten ließ sich ein Vielfaches dessen von den Schiffen holen oder darauf bringen, was die Hafenarbeiter in mühsamer Hand- und Knochenarbeit bewältigen konnten. Die Zeit der Stauer und der Schauerleute, die zu Tausenden im Hafen arbeiteten, ging zu Ende.
Bis 2008 konnte keine Krise das Wachstum des Containerumschlags im Hamburger Hafen stoppen. Im Jahr 1980 bewegten die Hamburger Terminals erstmals mehr als Million Containereinheiten (TEU). Bis zum Jahr 2007 verzehnfachte sich diese Zahl.
Möglich war das nur, weil die Hafenwirtschaft - unterstützt von der städtischen Politik - die Terminals immer wieder modernisierte und ausbaute. Wo heute der HHLA-Terminal Altenwerder arbeitet, stand früher ein Fischerdorf. Die Anlage ging im Jahr 2002 in Betrieb, nach fast 20-jähriger Planung, nach jahrelangen erbitterten Auseinandersetzungen zwischen dem Senat und den Bewohnern von Altenwerder, nach harten politischen Kämpfen zwischen der GAL und der regierenden SPD. "Wäre Altenwerder damals nicht in Betrieb gegangen, hätte Hamburg vom Boom des Containerumschlags im vergangenen Jahrzehnt bei Weitem nicht so profitieren können", sagt der HHLA-Manager Ingo Witte.
Jahrelang sah es so aus, als würde dieser Boom nicht enden. Die Containerwirtschaft verzeichnete höhere Wachstumsraten als nahezu jeder andere Wirtschaftszweig. Bis zu 18 Millionen TEU, so kalkulierte man noch im Jahr 2008, könnten in Hamburg im Jahr 2015 jährlich umgeschlagen werden. Doch die Wirtschaftskrise ließ solche Träume platzen. 2009 verzeichnete der Hamburger Hafen nur noch einen Umschlag von sieben Millionen TEU. Damit steht Hamburg derzeit im internationalen Vergleich der Containerhäfen auf Rang 15. Das Projekt für einen neuen "Container Terminal Steinwerder" wurde umgetauft in "Central Terminal Steinwerder". Wann die neue Anlage im mittleren Hafen für welchen logistischen Zweck gebaut wird, ist heute noch völlig offen.
Für Thomas Eckelmann, den Gründer und Chef des Terminalbetreibers Eurogate, steht allerdings außer Frage, dass diese Krise überwunden wird. "Hamburg", sagt er, "wird aus der ersten Liga der Häfen keineswegs absteigen."