Günter Grass gibt sich mit seinem Gedicht als Feind Israels und der Juden zu erkennen
Günter Grass hat ein neues Gedicht geschrieben. Eine Tatsache, die die deutsche, gar die Weltöffentlichkeit nicht weiter aufrütteln würde. Nun hat aber der Literaturnobelpreisträger und selbst ernannte Moralist einen Schachzug gefunden, der ihn und sein Gedicht überall zum Gesprächsthema macht: Er hat das größtmögliche Tabu gebrochen und sich in dem mit "Was gesagt werden muss" überschriebenen Text als Feind Israels und der Juden zu erkennen gegeben. Und damit es auch jeder mitbekommt, hat er das Gedicht gleichzeitig der "Süddeutschen Zeitung", "New York Times", "La Repubblica" und "El País" zur Veröffentlichung angeboten. Grass klagt darin an: "Die Atommacht Israel gefährdet den ohnehin brüchigen Weltfrieden."
Israel gefährdet den Weltfrieden? Wodurch, durch seine Existenz? Eine Existenz, die seit Jahrzehnten für die israelischen Nachbarstaaten Gegenstand von Vernichtungsfantasien ist? Der jüdische Staat ist ein immerwährender Vorwand für die Probleme Arabiens, nicht deren Ursache. Der Mangel an Freiheit und Bildung in den arabischen Ländern und die geringe Beteiligung der Frauen an Politik und Wirtschaft weltweit, wo bleiben da die Ermahnungen von Grass? Und warum hat er sich nie darüber aufgeregt, dass Pakistans Atomwaffenarsenal schneller wächst als jedes andere? Ein politisch instabiles, von Korruption durchsetztes Land, das über mehr als 110 atomare Sprengköpfe verfügt - wenn das keine Gefahr für den Weltfrieden ist. Wo blieb Grass, als es um die Völkermorde und Kriege im Sudan ging, im Kongo, in Mali, Niger, Somalia, Tschad? Millionen von Menschen sind dort verfolgt, ermordet, verstümmelt und vergewaltigt worden. Aber Afrika ist vielleicht für ein Grass-Gedicht nicht spannend genug.
Es muss schon was Großes sein: Israel, der Daueraufreger in der Weltpolitik. Grass brandmarkt Israel als Friedensstörer in der Nahostregion, wirft der israelischen Regierung vor, ein Atomwaffenarsenal aufzubauen. Diese "allesvernichtenden Sprengköpfe" richteten sich nun auf ein Land, "wo die Existenz einer einzigen Atombombe unbewiesen ist" - womit Grass auf das Atomwaffenprogramm des Iran anspielt. Er unterstellt, mit dem behaupteten "Recht auf den Erstschlag" wolle Israel womöglich das gesamte "iranische Volk auslöschen", und unterschlägt komplett die Bedrohung Israels durch die iranischen Raketen. Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad, der bekanntlich den Holocaust leugnet, heißt bei Grass verharmlosend "Maulheld". Grass unterstellt, in Deutschland schweige man zu diesem Thema, weil man sonst als "Antisemit" bezeichnet würde.
Was für ein Irrsinn! Grass, der in seiner Jugend Mitglied der Waffen-SS war, dies aber jahrzehntelang verschwiegen hat, kann offenbar das Gedankengut seiner Jugend, das die Juden für alles Schlechte in der Welt verantwortlich machte, nicht ganz aus seinem Denken tilgen. Das Antisemitische an seinem Gedicht ist, dass die Juden wieder einmal dafür verantwortlich gemacht werden, dass sie angeblich allmächtig sind, die Welt manipulieren.
Antisemiten, das sind ja längst nicht nur kahl geschorene Kampfnazis, die die Existenz von Auschwitz leugnen oder behaupten, es sei nur ein Arbeitslager gewesen. Heute verkleidet sich der Antisemit als Antizionist. Er sagt, am Antisemitismus seien die Zionisten und ihre Politik schuld und Israel sei eine Kriegsgefahr für die Welt. Genau das tut Grass. Und warum mussten diese kruden Zeilen nun endlich "mal gesagt werden", wie der Titel insinuiert? Nein, Grass hat ein Problem mit Juden, wie so viele seiner Generation. Kann man da als Erklärung gelten lassen, was der israelische Psychologe Zvi Rex einmal so treffend formuliert hat: "Auschwitz werden die Deutschen den Juden nie verzeihen"?