Entscheidung des Verfassungsgerichts, dass Raucherräume wieder erlaubt sind, löst zahlreiche Reaktionen aus. Dehoga prüft Schadensersatz.

Hamburg/Karlsruhe. Regelungen zum Nichtraucherschutz müssen einheitlich für Restaurants und Bierkneipen gelten. Wie das Bundesverfassungsgericht in einem am Dienstag veröffentlichten Beschluss entschied, müssen Restaurantbetreiber die gleichen Möglichkeiten zum Einrichten von Raucherräumen haben wie die Betreiber von Schankwirtschaften. Die Richter erklärten eine Bestimmung des Hamburgischen Gesetzes zum Schutz von Passivrauchern für verfassungswidrig. (Az. 1 BvL 21/11). Raucherräume sind demnach wieder erlaubt.

Als Reaktion auf das Urteil fordern Hamburgs Grüne ein absolutes Rauchverbot in allen Gaststätten der Hansestadt. Ein entsprechender Antrag „nach bayerischem Vorbild“ solle in der Bürgerschaft eingebracht werden, teilte die GAL-Fraktion mit. Ähnlich äußerte sich die Ärztekammer. „Die Kammer fordert seit langem ein absolutes Rauchverbot in allen öffentlich zugänglichen Räumen, also auch in allen gastronomischen Einrichtungen“, erklärte der Präsident der Ärztekammer Hamburg, Frank Ulrich Montgomery. „Nichtraucherschutz funktioniert nur ganz oder gar nicht.

Der Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) forderte eine „sachgerechte Lösung“. „Der Dehoga Hamburg hat im Zuge der teils emotional geführten politischen Diskussion immer wieder darauf verwiesen, dass das Bundesverfassungsgericht klare Kriterien zu einem Miteinander von Rauchern und Nichtrauchern aufgestellt hat“, sagte Hauptgeschäftsführer Gregor Maihöfer. „Diese Warnungen wurden vom damaligen schwarz-grünen Senat jedoch einfach in den Wind geschlagen. Hierfür gibt es jetzt die Quittung aus Karlsruhe.“

Der Dehoga prüfe derzeit die bereits 2008 angekündigten Schadenersatzansprüche gegen die Stadt Hamburg, sagte Maihöfer. „Sie könnten vor allem deshalb tatbestandsmäßig sein, weil viele Betriebe in getrennte Raucherräume investiert haben.“ Bei der anstehenden Novellierung sollte es nun – unter Beachtung des Jugendschutzes – zu einer Lösung kommen, „die auch ein von den Gästen gewolltes Miteinander von Rauchern und Nichtrauchern ermöglicht“, betonte Maihöfer. „In jedem Fall sollte es vermieden werden, dass erneut auf gesetzlich fragwürdiger Basis eine Novellierung Gesetz wird, die dann wiederum in Karlsruhe zur Überprüfung ansteht.

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Die Hamburger Gesundheitsbehörde will die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVG) zum Nichtraucher-Gesetz der Hansestadt nun prüfen. „Sie wird eine Regelung anstreben, die die begründeten Interessen der Nichtraucher ernst nimmt und gleichzeitig die Entscheidung des BVG aufnimmt und berücksichtigt“, erklärte Senatssprecher Christoph Holstein am Dienstag. Holstein sagte, es gehe um ein Gesetz des schwarz-grünen Senats aus dem Jahr 2010, das seit seinem Inkrafttreten kritisch diskutiert werde. „Vor diesem Hintergrund konnte man mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts rechnen.“ Die SPD regiert in Hamburg seit fast einem Jahr allein

Nach der bundesweit einmaligen Regelung durften in Hamburg reine Schankwirtschaften getrennte Raucherräume einrichten, Speisegaststätten hingegen nicht. Dies verstoße gegen die Freiheit der Berufsausübung in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes, entschieden die Richter. Bis zu einer Neuregelung dürfen nun auch Speisegaststätten in Hamburg getrennte Raucherräume einrichten. Eine vergleichbare Regelung gibt es nach Angaben des Gerichts in anderen Bundesländern nicht. Entweder gelte dort ein striktes Rauchverbot oder die Einrichtung von abgeschlossenen Raucherräumen werde unabhängig davon zugelassen, ob in den jeweiligen Gaststätten zubereitete Speisen angeboten werden oder nicht.

Im Ausgangsverfahren hatte die Betreiberin der Gaststätte in einem Autohof an der Autobahn A7 geklagt. Sie wollte den neben der Gaststube gelegenen „Clubraum“ zum Raucherraum erklären. 80 Prozent ihrer Gäste seien Lkw-Fahrer; diese seien fast alle Raucher. Zudem könnten die Lkw-Fahrer problemlos auf raucherfreundlichere Lokale in den umliegenden Bundesländern ausweichen. Das Verwaltungsgericht Hamburg hatte den Prozess ausgesetzt und den Fall dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt. Klägerin Bärbel Uliczka, die seit 30 Jahren den "Trucker-Treff" in Altenwerder betreibt: "Wir sind über dieses Urteil hocherfreut. Jetzt können wir unseren Raucherraum wieder aktivieren." Uliczka will sich noch mit den Behörden abstimmen, ob eine spezielle Genehmigung erforderlich ist und dann darf wieder geraucht werden.

Die Richter des Ersten Senats erklärten die Regelung für verfassungswidrig. Weder der Schutz der Gesundheit von Angestellten noch von Gästen rechtfertige eine solche Unterscheidung. Die Richter verwiesen auf eine Stellungnahme des Deutschen Krebsforschungszentrums. Demnach mache es „aus wissenschaftlicher Sicht keinen Unterschied, ob die Aufnahme der Schadstoffe, die im Tabakrauch enthalten seien, in einer Schankwirtschaft oder in einem Speiserestaurant erfolge“.

Bereits 2008 hatte das Verfassungsgericht entschieden, dass die Wirte von Eckkneipen („getränkegeprägte Kleingastronomie“) ihren Gästen das Rauchen erlauben dürfen, wenn eine Rauchverbotsregelung auch sonstige Ausnahmen zulässt. Möglich bleibt hingegen ein striktes Rauchverbot für Gaststätten ohne jede Ausnahme, wie es derzeit in Bayern und dem Saarland besteht

(ug/dpa)