An historischer Stätte, wo einst der “Heidenwall“ stand, gibt es jetzt Kaffee und Kuchen. Steingebäude wurde in Dat Backhus-Filiale integriert.
Hamburg. Der Gegensatz von Alt und Neu ist immer spannend. Zu Füßen der Hauptkirche St. Petri am Speersort gibt es jetzt einen Ort, an dem man das besonders eindrucksvoll erleben kann. Inmitten des Bischofsturms, einem gewaltigen, 900 Jahre alten Findlingskreis, hat jetzt ein Café eröffnet. Das älteste erhaltene Steingebäude Hamburgs wurde ins Untergeschoss einer neuen Filiale von Dat Backhus integriert. Der Bischofsturm ist somit nicht nur spektakulärste Außenstelle des Archäologischen Museums und einer der historisch bedeutsamsten Plätze Hamburgs, sondern auch ein Ort, an dem sich Genuss und Geschichte künftig bequem verbinden lassen.
"Im Gegensatz zu früher gibt es hier jetzt zwei entscheidende Vorteile: Toiletten und etwas zu essen", sagte Rainer-Maria Weiss, Vorstand des Archäologischen Museums, als er die neuen Räumlichkeiten gestern gemeinsam mit Heinz Bräuer, Chef von Dat Backhus, der Öffentlichkeit präsentierte. Damit spielte er auf den wesentlich spartanischer ausgestatteten "Schauraum" an, der das ringförmige Turmfundament bis 2008 umgeben hatte.
Der wurde geschlossen, als das darüber liegende Eckgebäude, in dem außer dem historischen Steinwall auch Radio Hamburg, Kita und Gemeinderäume von St. Petri untergebracht waren, abgerissen werden sollte. Die "Norddeutsche Grundvermögen" hatte 2007 mehrere Grundstücke an der St.-Petri-Kirche erworben und ein neues städteplanerisches Konzept für den Ort entwickelt: Hier sollte das Kontorhaus St.-Petri-Hof entstehen, mit Büros, Geschäften und einem neu gestalteten Kirchplatz. Die Gemeindeverwaltung zog in einen gläsernen Kubus im Kircheninnern, Kita und Gemeindesaal in einen Neubau.
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Bevor das Eckgebäude abgerissen wurde, musste das Fundament des Bischofsturms gesichert werden, damit es die tonnenschweren Bagger nicht zermalmten. "Das war ein gewaltiger Aufwand", sagt Denkmalpfleger Weiss. Zunächst wurde der Steinkreis, Durchmesser 19 Meter, mit einer Plane bedeckt. Dann wurde der Raum bis zur Decke mit Sand gefüllt, der durch die Fenster im Erdgeschoss geblasen wurde. Auf die Sandschicht wurden noch zwei Zentimeter dicke Stahlplatten gelegt. "Trotz dieser Sicherheitsmaßnahmen treibt einem Denkmalpfleger ein solches Vorhaben die Schweißperlen auf die Stirn", sagt Weiss.
Das Bodendenkmal überstand die Belastungen nahezu unbeschadet - lediglich ein paar Steinchen kullerten weg, an einer Stelle führt jetzt eine tragende Säule mitten hindurch. Jetzt ist es nicht nur wieder sichtbar, sondern auch begehbar geworden. Die bewusst moderne Ausstattung - olivgrüne Stühle im Retrolook und weiße Tische - bildet einen spannenden Kontrast zur Altertümlichkeit des Steinrings. Wie das Gebäude ausgesehen haben könnte, dessen Fundament er einst war, zeigt die Nachbildung eines gedrungenen Flucht- und Wehrturms, der im Café hinter Glas ausgestellt ist. Ausgrabungen, die das Helms-Museum im Zuge der Baumaßnahmen auf dem Kirchplatz vorgenommen hatte, brachten allerdings ans Tageslicht: Der Bischofsturm wurde erst im 12. Jahrhundert erbaut und war nicht - wie bislang angenommen - Heimstätte von Bischof Bezelin Alebrand, der von 1035 bis 1043 Bischof von Hamburg war. Heute gehen die Archäologen vielmehr davon aus, dass es sich eher um einen Spähturm im Torbereich der ältesten Hamburger Stadtbefestigung, des Heidenwalls, gehandelt haben muss.
"Wir sind stolz, dass man uns diese historisch bedeutsame Stätte anvertraut hat", sagt Bäckereichef Peter Bräuer, "und wollen uns dieser Aufgabe verantwortungsvoll und würdig erweisen." Das sei für das Familienunternehmen, das in Hamburg in zweiter Generation geführt werde, eine Ehrensache. Der Ort sei wie gemacht dafür, die Neugierde für Hamburgs Geschichte zu wecken. Tatsächlich startet hier an jedem ersten Montag im Monat um 16.30 Uhr ein 90-minütiger archäologischer Rundgang. Über Domplatz, Rathaus, Trostbrücke und St. Nikolai geht es wieder zurück zum Bischofsturm. Neben Informationen über die Ausgrabungen, bei denen der Bischofsturm 1962 entdeckt wurde, und einer Rekonstruktion des Domgeläuts sind hier auch zahlreiche Siedlungsfunde zu sehen, die bei archäologischen Grabungen an dieser Stelle entdeckt wurden: Kugeltöpfe, Werkzeuge - und eine Schale mit verkohltem Getreide.
Der Bischofsturm: Speersort 10, Mo bis Fr 7-19 Uhr, Sa 7-18 Uhr, Eintritt frei