Investor beendet Gespräche mit Anwohner-Initiative und will die Esso-Häuser mit Neubauten ersetzen. Kritiker fürchten Vertreibung der Einwohner.
St. Pauli. Drei Jahre wurde diskutiert und gestritten. Seit die Bayerische Hausbau im Mai 2009 die Esso-Häuser am Spielbudenplatz samt der legendären Tankstelle gekauft hatte, gab es Ärger mit den Anwohnern und der Initiative "Esso Häuser", die sich vehement für den Erhalt des Gebäudekomplexes einsetzt. Doch auch ein runder Tisch unter Mitwirkung der Politik und des Bezirks mit stundenlangen Debatten nutzte nichts: Die Bayerische Hausbau hat die Verhandlungen jetzt für gescheitert erklärt und sich endgültig für einen Abriss der Gebäude entschieden. Mit der Initiative wird es keine weiteren Gespräche geben. "Die Vorstellungen der Initiative sind fernab jeglicher Realität", sagt der Hamburger Niederlassungsleiter Stefan Günster.
Von dem Abriss sind etwa 100 Wohnungsmieter und zahlreiche Gewerbetreibende betroffen: "Wir haben drei unabhängige Gutachten vorliegen, die belegen, dass eine Sanierung der maroden Gebäude im bewohnten Zustand nicht möglich ist. Eine Modernisierung wäre aus wirtschaftlicher Sicht nicht vertretbar", sagte Günster. Die Mieter würden während der Bauzeit in andere Wohnungen umquartiert und könnten dann zu den jetzigen Bruttomieten in den Neubau einziehen.
Im März soll ein städtebaulicher Wettbewerb gestartet werden. Die Politik muss dann auf dieser Grundlage ein Bebauungsplanverfahren einleiten und dieses später beschließen. Der Baubeginn wäre laut Günster 2014 möglich. Es sollen auf etwa 19 000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche Wohnungen entstehen: "Es werden deutlich mehr als die bestehenden 107 Wohnungen sein", sagte Stefan Günster. Jeweils ein Drittel sollen Eigentumswohnungen, Mietwohnungen und öffentlich geförderte Wohnungen - mit günstigen Mieten - werden. Darüber hinaus sind auf etwa 5500 Quadratmetern Gewerbeflächen geplant.
Dass die Gespräche mit der Initiative laut dem Investor gescheitert sind, kam zumindest für Ted Gaier von der Initiative überraschend: "Damit hat sich bestätigt, dass die Bayerische Hausbau die Gespräche nie ernst genommen hat." Es sei nach wie vor nicht abschließend geklärt, ob ein Abriss wirklich erforderlich ist. Die Initiative werde weiterhin für den Erhalt kämpfen. Für Steffen Jörg vom Stadtteilverein GWA St. Pauli, der ebenfalls der Initiative angehört, steht fest: "Die soziale Erhaltensverordnung sieht einen Milieuschutz vor, das bedeutet auch den Erhalt eines vielfältigen architektonisch kleinteiligen ungebügelten Kiezes und seiner Bewohnerstruktur." Dabei sei der Erhalt der Esso-Häuser ein wichtiger Bestandteil. Soll heißen: Es wird befürchtet, dass der Kiez zu einem Schickimickiviertel wird.
Der Erhalt der Gebäude ist für die Bayerische Hausbau definitiv vom Tisch. Der Schritt, keine weiteren Gespräche mit der Initiative zu führen, sei "nach einem Jahr ergebnisloser Diskussion" getroffen worden, sagte Stefan Günster. Die Bayerische Hausbau will jetzt nur noch direkt mit den Mietern kommunizieren.
Der "runde Tisch" hatte sich eigentlich auf ein viertes Gutachten verständigt, um die Abrissfrage zu klären. Doch genau dieser Plan hat zum endgültigen Bruch geführt: "Wir wollten den Experten gemeinsam auswählen und haben eine Liste mit 50 unabhängigen Gutachtern an die Initiative weitergeleitet. Dieses festgelegte Procedere blockiert die Initiative nun mit der grotesken Ausflucht, dass keines dieser Büros in der Lage sei zu untersuchen, ob eine Sanierung im bewohnten Zustand möglich sei", sagte Günster. Ted Gaier kontert: "Das ist eine glatte Lüge, dass wir uns gegen die Gutachter gesperrt haben. Wir hatten uns ja noch nicht einmal darüber verständigt, wie die Fragestellung bei dem Gutachten genau aussehen soll."
Auch bei der Frage, wie die Mieter zur Initiative stehen, gibt es unterschiedliche Ansichten: "Nach unseren Erkenntnissen haben 75 Prozent der Mieter gegen einen Abriss und Neubau nichts einzuwenden", sagte Günster. Dem widerspricht Gaier: "Wir haben Unterschriften von mehr als 60 Mietern, die sich gegen einen Abriss aussprechen." Eine davon meldete sich gestern zu Wort: "Ich habe mir meine vier Wände schön eingerichtet und sehe kaum Sanierungsbedarf. Hoffentlich bleiben die Häuser erhalten", sagte die 66-jährige Evi Madejski, die für ihre 70-Quadratmeter-Wohnung 411 Euro warm bezahlt.
Unterstützung für die Bayerische Hausbau kommt von Jörn Frommann, CDU-Fraktionschef in der Bezirksversammlung Mitte: "Es war längst deutlich, dass die Initiative nicht die Interessen der Mieter wahrnimmt und auch nicht die Interessen eines Großteils der Bevölkerung."
Mitte-Bezirksamtsleiter Markus Schreiber (SPD) bedauerte das Ende der Gespräche. Schreiber ist wichtig: "Die Genehmigung für einen Neubau an diesem Standort wird es nur geben, wenn der Investor in enger Abstimmung mit den Bewohnern und den Bürgern auf St. Pauli sein Bauvorhaben entwickelt." Auch GAL-Fraktionschef Michael Osterburg fordert einen Dialog mit den Mietern: "Es müssen die Interessen der Bewohner und auch die stadtplanerischen Interessen berücksichtigt werden. Ziel sollte sein, auch weiterhin bezahlbaren Wohnraum auf St. Pauli zu schaffen."