22-Jähriger soll vor Derby im Februar drei Sprengsätze im Fanblock des FC St. Pauli deponiert haben. Zweijährige Strafe möglich.
Altona. Es bleibt so viel offen. Die Frage etwa, was sich Torben T. dabei gedacht haben mag, als er vor dem Lokalderby drei Sprengsätze in der Imtech-Arena angebracht haben soll. Ahnte der 22-Jährige, was hätte passieren können, wenn die Rauchgranaten, die den voll besetzten St.-Pauli-Fanblock in den HSV-Vereinsfarben Schwarz-Blau-Weiß vernebeln sollten, detoniert wären? Die Staatsanwaltschaft hegt keinen Zweifel, dass Torben T. genau wusste, dass durch die Explosionen mehrere Fans hätten schwer verletzt werden können. Sie hat den jungen Mann - blass, schlaksig, hellblonde Haare - wegen "versuchten Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion" angeklagt. Es tagt das Schöffengericht, und damit liegt eine Strafe von mindestens zwei Jahren im Bereich des Möglichen, denkbar wären sogar vier. Doch seit seiner Festnahme Anfang Februar 2011 schweigt das Mitglied eines HSV-Fanprojekts eisern zu den Vorwürfen - so wie gestern beim Prozessauftakt vor dem Amtsgericht Altona. Torben T. wirkt auf den ersten Blick gelassen, auf den zweiten Blick aber sieht man, wie seine Hände unentwegt zittern.
Die drei selbst gebastelten Sprengsätze mit digitalen Zeitzündern sollten, so die Anklage, zwei Minuten vor Anpfiff detonieren, um 15.28 Uhr. Mit mehreren, bisher noch nicht ermittelten Komplizen soll er die drei Sprengsätze vier Tage vor Spielbeginn mit Bauschaum unterhalb der Sitze in Reihe 14B befestigt haben. Sie enthielten neben militärischen Rauchkörpern aus tschechischer Produktion je 30 Gramm Schwarzpulver und Leuchtsätze, die gewöhnlich zur Gefechtsfeldbeleuchtung eingesetzt werden.
+++ Wieder Bombenalarm beim HSV - Polizei durchsucht Stadion +++
+++ Rauchbomben-Prozess: Angeklagter HSV-Fan schweigt +++
Glücklicherweise entdeckte ein Stadionmitarbeiter die Bomben. Jens D., 42, hatte von seinem Büro aus beobachtet, wie sich eine rot gekleidete Person im Eingangsbereich des Gästeblocks herumtrieb, und dann gesehen, wie zwischen den Sitzen eine zweite Person mit blauer Jacke auftauchte. "Da wurde ich stutzig, bin runter und habe unter einem Sitz eine Art Schuhkarton mit Kippschalter und Kabeln gesehen."
Die Polizei entdeckte zwei weitere Sprengsätze ein paar Sitze weiter, sperrte die Fundstelle weiträumig ab und sprengte die erste Rauchgranate mit einem Wassergewehr in die Luft, die Bruchstücke flogen bis zu 100 Meter weit. Ob diese Rauchbombe explodiert wäre, ist ungewiss. "Wir haben keine Zündvorrichtung gefunden", sagt Sprengmeister Holger R., 45. Um zu ermitteln, ob die beiden anderen Sprengsätze funktionierten, hat Holger R. sie später kontrolliert gezündet - sie funktionierten. Allerdings brannte in einer der manipulierten Bomben der Leuchtsatz viel zu heiß ab. "Ich hätte da nicht in der Nähe sein mögen, weil es sicher zu großen Brandverletzungen gekommen wäre", sagt Holger R. und ergänzt: "Im Bereich der Explosionsstoffe ist Pyrotechnik das Gefährlichste überhaupt, weil sie kaum zu kontrollieren ist."
Kurz nach dem Bombenfund wurde Torben T. als möglicher Täter identifiziert, in seiner Wohnung fand die Polizei sprengstoffverdächtige Substanzen. Gestern deutete der Vorsitzende Richter an, dass möglicherweise auch eine Verurteilung wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in Betracht komme. Der Prozess wird fortgesetzt.