In St. Georg sollen Freier künftig keine Prostituierten mehr ansprechen dürfen
Hamburg. Ein älterer Herr mit dunkler Aktentasche spricht eine junge Dame im Minirock an. Die Unterhaltung dauert nur kurz, dann verschwinden die beiden in einem Stundenhotel am Steindamm. Die Dame ist eine Prostituierte, der Mann ihr Freier. Solche Szenen spielen sich am Steindamm, am Hansaplatz und in den umliegenden Straßen hundertfach am Tag ab.
Doch damit soll jetzt Schluss sein: Wer künftig in St. Georg mit einer Prostituierten Kontakt aufnimmt, um mit ihr ins Geschäft zu kommen, muss mit einer Geldbuße von bis zu 5000 Euro rechnen. Das sieht die "Verordnung über das Verbot der Kontaktaufnahme zu Personen zur Vereinbarung entgeltlicher sexueller Dienstleistungen im Sperrgebiet" vor, die der Senat nach Abendblatt-Informationen am 24. Januar beschließen wird. In anderen Großstädten wie Köln oder Leipzig gibt es bereits solche sogenannten Ansprechverbote.
Die Menschen in St. Georg begrüßen diesen Plan: "Hier muss jetzt dringend etwas geschehen. Die Straßenprostitution schadet dem Standort und nimmt den Bürgern ein Stück Lebensqualität", sagt Quartiersmanager Wolfgang Schüler. Er lebt selbst unweit des Steindamms: "Es ist schon befremdlich, dass in einem Sperrgebiet offensiv der Prostitution nachgegangen wird. Deshalb ist das Kontaktverbot ein weiterer Schritt, um die illegale Prostitution in den Griff zu bekommen."
Seit Jahrzehnten beschäftigt sich der Bürgerverein St. Georg mit der Problematik der Straßenprostitution. Der Verein hat auch maßgeblich dazu beigetragen, dass St. Georg 1980 zu einem Sperrgebiet erklärt wurde und seitdem die Prostitution verboten ist: Die Prostituierten dürfen hier auch nicht potenzielle Freier ansprechen. "Es ist ein Fortschritt, wenn jetzt auch den Freiern die Kontaktaufnahme verboten wird und eine hohe Geldstrafe droht", sagte der Vorsitzende des Bürgervereins, Helmut Voigtland. Es zögen immer mehr Familien nach St. Georg. Es sei nicht zu akzeptieren, dass Prostituierte im Wohnviertel ihrer Arbeit nachgingen.
Wie ernst die Situation ist, geht aus der Senatsdrucksache zur Kontaktverbotsverordnung hervor. Demnach werden auch unbeteiligte Frauen und Mädchen von Freiern angesprochen. Kinder und Jugendliche werden oftmals zu Zeugen bei Preisverhandlungen zwischen Prostituierten und ihren Kunden. Außerdem ist in der Drucksache, die dem Abendblatt vorliegt, von erheblichen Beeinträchtigungen für den Stadtteil beziehungsweise dessen Bewohner die Rede. Es ist von "lautstarken, teilweise tätlich ausgetragenen Streitereien zwischen Prostituierten und Freiern" die Rede. Beim Polizeikommissariat 11 am Steindamm gehen nahezu täglich Beschwerden von Bürgern ein.
Wie viele Frauen auf dem Straßenstrich in St. Georg ihrer Arbeit nachgehen, dazu gibt es keine konkreten Zahlen. Etwa 300 bis 400 Frauen nehmen die Hilfe der Einrichtung Ragazza an der Brennerstraße in Anspruch, deren Angebot sich aber nur an drogenabhängige Prostituierte richtet. Die Leiterin von Ragazza ist Gudrun Greb, die Einrichtung feiert in diesem Jahr ihren 20. Geburtstag: "Es gibt in St. Georg Sexarbeiterinnen von 18 bis 80 Jahren. Da ist die Hausfrau aus Jenfeld, die zum Monatsende ihre Miete nicht mehr bezahlen kann, genauso wie Prostituierte aus Bulgarien oder Tschechien", sagte Greb. Bei Ragazza können die Prostituierten Drogen konsumieren: "Hier finden sie Ruhe und vor allen Dingen Schutz. Wir bieten Überlebenshilfe", sagte Greb. Die Kontaktverbotsverordnung sieht Greb skeptisch: "Es gibt hier seit geschätzten 150 Jahren Prostitution. Diese wird auch durch eine neue Verordnung nicht verschwinden."
Michael Osterburg, GAL-Fraktionschef im Bezirk Mitte, spricht von einem "schwierigen Spagat. Wir müssen die Situation im Sinne der Bürger vor Ort verbessern, aber auch den betroffenen Prostituierten müssen konkrete Hilfsangebote gemacht werden."