Der Prozess um das Wasserflugzeug-Unglück im Hamburger Hafen ist vertagt worden. Gericht lehnt Befangenheitsantrag der Verteidigung ab.

Hamburg. Das Fliegen ist Nikolai von W.s Leben. Über 7000 Stunden hat er in Cockpits verbracht. In Maschinen jeder Größe, in Hubschraubern und schließlich auch in Wasserflugzeugen. Als erlernten Beruf gibt er Pilot an. Wegen eines fatalen Flugfehlers mit tödlichem Ausgang steht der Mittvierziger seit Freitag vor dem Hamburger Amtsgericht.

Als sein Anwalt jenen Beileidsbrief verliest, den W. vor etwa einem Jahr den Angehörigen der verstorbenen Passagiere schrieb, ringt der Angeklagte sichtlich um Fassung. Ohne Zögern glaubt man dem Mann, dass er vorher "nicht die Worte fand“, sein Beileid zu bekunden. Ein gewisses Fliegerethos schwingt mit, wenn er in dem Schreiben nicht von Passagieren oder Gästen, sondern von "Mitfliegern“ spricht.

Das klingt ein bisschen, als ginge es nicht um einen Rundflug über Hamburg, sondern die Erstüberquerung des Ärmelkanals. Doch es erklärt auch, woher Nikolai von W. die Kraft nahm, direkt nach dem Unglück mehr als zwei Dutzend Mal ohne Sauerstoffflasche oder Taucherbrille, nur in Unterwäsche, zum Wrack der Cessna T206H in das trübe Elbwasser des Baakenhafens hinabzutauchen. Erst als die Feuerwehrtaucher eintrafen, war er von den Rettungsversuchen abzubringen.

Die Staatsanwaltschaft wirft Nikolai von W. vor, er habe beim Anflug mit einem Wasserflugzeug auf den Hamburger Baakenhafen am 22. August 2009 das Fahrwerk seiner Cessna T206H nicht eingefahren und damit die Bruchlandung verschuldet, bei der beide Passagiere in der Elbe ertranken.

Wasserflugzeug verunglückt im Hamburger Hafen

Pilotenfehler? Maschine hatte das Fahrwerk ausgefahren

Für den Prozess wurde ein weiterer Verhandlungstag angesetzt, da noch ein zusätzlicher Zeuge gehört werden soll. Die Verteidigung widersprach der Verlesung des Unfallgutachtens der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU). Stattdessen soll der damals federführende Ermittler als Zeuge geladen werden. Nachdem am Freitag bereits acht Zeugen vernommen worden waren, fehlte außerdem die Zeit, um das vorliegende Fotomaterial in Augenschein zu nehmen.

Zu Beginn des Prozesses stellte die Verteidigung einen Befangenheitsantrag gegen den vom Gericht beauftragten Flugunfallgutachter. Der ehemalige Flugunfallermittler der Bundeswehr sei seinem Mandanten gegenüber voreingenommen und habe nicht die notwendige Fachkenntnis. So habe der Ermittler selbst keine Erfahrung auf Wasserflugzeugen.

Das Gericht wies den Antrag zurück. "Die Ausführungen der Verteidigung konnten in den Augen des Gerichts keine ausreichenden Zweifel an der Qualifikation und Unabhängigkeit des Gutachters wecken“, sagte ein Gerichtssprecher. Hinzu komme, dass der ehemalige Berufsoffizier mit 40 Jahren Erfahrung und über 100 untersuchten Flugunfällen hervorragend qualifiziert sei.

Der Verteidiger verlas eine Erklärung des Angeklagten Nikolai von W. zu den Vorgängen bei der Bruchlandung. Das Gericht will vor allem ergründen, wie viel Schuld W. an der missglückten Landung trug und ob der Angeklagte unter Stress oder in Eile war.

Im Falle einer Verurteilung drohen dem Familienvater bis zu fünf Jahre Haft. Außerdem muss er damit rechnen, nie wieder als Berufspilot fliegen zu dürfen. Ein Urteil wird für den 16. Januar erwartet.

Gestraft und gebrandmarkt ist Nikolai W. aber längst. Denn der Traum vom Fliegen ist für den Familenvater seit dem Unfall ausgeträumt. "Mein Mandant findet seit dem Unfall keine Arbeit mehr und hat daher auch große Probleme mit der Erhaltung seiner fliegerischen Lizenzen“, sagt sein Verteidiger vor Gericht. Er verfüge zurzeit nicht über ein eigenes Einkommen und werde von seiner Frau unterstützt.

Anfang des Jahres ging W. sogar nach Afrika und flog in Sierra Leone als freiberuflicher Pilot. Das Geld vom dortigen Arbeitgeber hat er bis heute nicht gesehen. Und der Verteidiger betont, dass sein Mandant bei einer Verurteilung wohl nie wieder beruflich im Cockpit einer Maschine sitzen werde. Von Patrick von Krienke