Hansa Rostock gibt die 500 Karten nicht in den Verkauf. Stattdessen können 1000 zusätzliche St. Pauli-Fans ins Stadion.
Hamburg. Keine Fans, keine Unterstützung: Fußball- Zweitligist Hansa Rostock verzichtet im „Brisanz-Duell“ am Sonntag beim FC St. Pauli auch aus Selbstschutz auf seine Anhänger. Nach abschließenden Gesprächen mit Fan-Vertretern wird der Traditionsclub die von der Hamburger Polizei genehmigten 500 personalisierten Sitzplatzkarten nicht in den Verkauf geben. Zugleich wollen die Rostocker mit einer Protestaktion im ausverkauften Stadion Am Millerntor für den Erhalt ihrer Fanrechte demonstrieren. „Diese Kartenlimitierung ist eine Beschneidung der Fanrechte. Es ist unmöglich, die Tickets gerecht zu verteilen“, begründete Hansas Pressesprecher Karsten Lehmann am Mittwoch die Entscheidung.
Der Club wird nunmehr sieben Personen nach Hamburg schicken. Sie sollen große Plakate und Transparente auslegen und mit Anpfiff der Partie den Block verlassen, so dass der Rostocker Zuschauerbereich komplett leerbleiben wird. Mit dieser Aktion wollen die Ostseestädter gegen die aus ihrer Sicht nicht hinnehmbare Kartenlimitierung protestieren. Fußball-Zweitligist FC St. Pauli bietet weitere 1000 Karten für das Spiel am Sonntag gegen Hansa Rostock an. Da die Ostseestädter auf ihr Kontingent verzichten, können St.-Pauli-Anhänger diese erwerben. Zusätzlich kommen Karten für jene Plätze in den Verkauf, die bislang als sogenannte Pufferzone zwischen den Fan-Blöcken frei bleiben sollten. Die Tickets werden jedoch nur an Dauerkarteninhaber und Mitglieder des FC St. Pauli verkauft.
In der Vergangenheit war es beim Duell zwischen Hansa und dem FC St. Pauli immer wieder zu schweren Auseinandersetzungen gekommen, so auch beim Hinspiel am 2. November vergangenen Jahres. Damals musste ein Großaufgebot der Polizei Wasserwerfer und Tränengas einsetzen, um beide Fanlager zu trennen. Dabei wurden 27 Polizisten leicht verletzt und 23 Randalierer vorübergehend in Gewahrsam genommen.
Ungeachtet dessen hatte der FC Hansa im Vorfeld der Partie ein Kartenkontingent von 1400 Tickets angestrebt. In Gesprächen beim FC St. Pauli Anfang März hatten die Rostocker ein Konzept vorgelegt. Durch einen Kartenverkauf an Mitglieder und Dauerkartenbesitzer sowie eine organisierte An- und Abreise sollte versucht werden, Konflikte inner- und außerhalb des Stadions zu verhindern. „Wir haben alles in unserer Macht Stehende unternommen, um für einen friedlichen Ablauf zu sorgen“, sagte Lehmann. Die Hamburger Polizei wollte ursprünglich eine „Null-Karten-Strategie“ fahren, am Ende billigten sie Rostock 500 Tickets zu. Für die Mecklenburger nicht hinnehmbar.
Gleichzeitig sehen die Rostocker im Falle weiterer Ausschreitungen die Gefahr einer Strafe durch den Deutschen Fußballbund (DFB), die die Existenz des Vereins gefährden würde. „Ein eventuelles Geisterspiel in Rostock wäre der finanzielle Kollaps für den FC Hansa Rostock“, so Lehmann, der im Namen des Clubs alle Fans bat, am Sonntag nicht nach Hamburg zu fahren. Die Partie ist bereits ausverkauft, eine Anreise ohne Tickets ohnehin zwecklos. Für den FC Hansa sei fraglich, ob man der Gewalt beim Fußball mit Kartensanktionen Herr wird. Notwendig sei vielmehr eine deutschlandweite Diskussion mit allen Beteiligten – Vereinen, Fans und Polizei – mit dem Ziel „Kommunikation statt Konfrontation“.
Im Internet formierte sich noch vor der Ankündigung des Vereins der Widerstand der Rostock-Fans. Der Seite der sogenannten "Suptras", einer extremen Gruppe der Rostocker Anhängerschaft, ist zu entnehmen, dass sich die Mitglieder auf dem Dom treffen wollen. "Wir haben bereits die Schausteller darauf hingewiesen, dass sie am Sonntag ihre Auslagen sichern, damit diese nicht als Wurfgeschosse benutzt werden können", sagte Dom-Referatsleiter Michael Jenke dem Abendblatt.
Polizeisprecher Ralf Meyer ist von der Ankündiung der Suptras nicht überrascht. "Bislang ist aber nicht klar, wie viele kommen werden", betont er. Gegen Ende der Woche werden darüber Informationen vorliegen. Meyer kündigte bereits jetzt "gefahrenabwehrende Maßnahmen" an. Das bedeutet: Rostocker Fans, die keine Tickets haben, werden Platzverweise erteilt. Ihnen drohen auch Festnahmen, falls sie sich den Anordnungen der Polizei widersetzen.
"Natürlich werden wir keinen, der mit seiner Familie aus Rostock zum Dom kommt, festhalten", so Meyer. "Aber wenn jemand in der Nähe des Stadions herumlungert oder versucht, an Pauli-Fans heranzukommen, werden wir seinen Ausweis überprüfen." Die Polizei wird mit einem Großaufgebot zur Stelle sein - Meyer: "Wir sind da."
Auf der Internetseite kündigen die Rostocker Suptras "Spuk unterm Riesenrad" an. Auffällig in der Internetankündigung die Uhrzeit: 13.12 Uhr. In der sogenannten Ultraszene der Fußballfans haben diese Zahlen eine eigene Bedeutung. Die Ziffern stehen für Buchstaben in ihrer Reihenfolge im Alphabet: ACAB - das steht für "All Cops Are Bastards", eine englische Beschimpfung für Polizeibeamte.
Ultras sind bedingungslose Fans, die jedes Spiel ihrer Mannschaft verfolgen. Viele sind schwarz gekleidet, bieten zuweilen monotonen Gesang dar, der zudem oft nicht auf das Spielgeschehen bezogen ist. Teile dieser Gruppe neigen auch zu Gewalt. Die Ultras aus Rostock nennen sich Suptras. Sie haben sich vom friedlichen Fan-Projekt abgespalten und gelten als gewaltbereit.