Die Wirtschaftskrise hat auch Europas größte innerstädtische Baustelle erreicht: Das Bezirksamt Mitte soll als Großmieter einspringen. Vertragsregelungen werden verhandelt. Auch an anderen Stellen zeigen sich Probleme. Nur der Wohnungsbau funktioniert noch.
Hamburg. Ein rekordverdächtig großer Richtkranz wurde hochgezogen, der Bürgermeister kam und gut 800 Gäste: Das Richtfest für einen ersten Abschnitt des künftigen Übersee-Quartiers in der HafenCity geriet vor einigen Tagen zum großen Fest. Doch ob Investoren und Stadt wirklich zum Feiern zumute war, bezweifeln Branchenkenner. Denn die Wirtschaftskrise hat auch Europas größte innerstädtische Baustelle erreicht.
Und dort vor allem das Überseequartier: "Da wachsen Bürokapazitäten, für die es noch keine Nutzer gibt", sagt der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete und Stadtentwicklungsexperte Andy Grote. "Es gibt kaum Meldungen über Vermietungen, da wird Leerstand produziert", berichtet auch ein Immobilienexperte.
Und wie so oft infolge der Krise soll nun der Steuerzahler einspringen, damit es im Herzstück der HafenCity weiter vorangeht: 50 000 Quadratmeter Bürofläche will die Stadt im künftigen Südteil des Überseequartiers mieten. Immerhin zwei Drittel aller dort geplanten Büros. Vor allem das Bezirksamt Mitte soll eine neue Adresse in Hamburgs Nobel-quartier bekommen. Bisher vereinbarter Preis: 15 Euro pro Quadratmeter, also stolze 750 000 Euro pro Monat.
"Das ist nicht gerade billig", heißt es in der Branche. Tatsächlich sind Hamburger Unternehmen in dieser Frage deutlich sparsamer als die öffentliche Hand. Die Haspa soll in ihrer neuen Firmenzentrale in der City Süd nur knapp elf Euro pro Quadratmeter zahlen. Also eine kräftige Subvention für das deutsch-niederländische Übersee-Konsortium? Viel spricht dafür. Zumal es Stadt und Investoren plötzlich eilig haben: Denn die Vermietung zum vereinbarten Preis war von Anfang an als mögliche Option vertraglich vereinbart: 2007 konnte das Konsortium zum ersten Mal darauf zurückgreifen, lehnte aber ab. Damals waren die Aussichten noch rosig. Möglich auch, dass die Option mit der Stadt als Mieterin sich nicht schlecht bei Finanzierungsgesprächen mit Banken machte - ohne dass man daran je dachte, sie nutzen zu müssen.
Der bereits anvisierte Umzug des Bezirksamts in neue Viertel platze daher, und Bezirksamtsleiter Markus Schreiber verhandelte mit anderen Investoren über Standorte nahe dem Hauptbahnhof. Nun musste er auf Anweisung aus dem Rathaus die Gespräche absagen, weil er mit seinen 800 Mitarbeitern doch wieder in die HafenCity soll. Und das plötzlich ganz schnell: Denn eigentlich können die Überseequartier-Investoren erst wieder 2010 auf ihre Option zurückgreifen. Doch nun soll die städtische Anmietung in einer Extravereinbarung vorgezogen werden, wie Hamburgs Oberbaudirektor Jörn Walter bestätigt. Nach Angaben der HafenCity Hamburg GmbH wird bereits über Mietvertragsregelungen verhandelt.
Der Geschäftsführer der Überseequartier Beteiligungsgesellschaft, Nikolaus Bieber, versucht zu beruhigen: "Die Nachfrage nach Wohnraum ist hoch, hier werden wir keinen Leerstand haben." Der Verkauf funktioniere nach wie vor hervorragend. Auch der Bereich Einzelhandel laufe gut. "Wir profitieren davon, dass es in der Nähe des Überseequartiers noch so gut wie keinen Einzelhandel gibt." Schwieriger, so gibt er allerdings zu, laufe es im Bereich Büroräume. "Es gibt hier einen großen Wettbewerb", sagt Bieber dem Abendblatt. Doch den Hamburger Stadtplanern ist offensichtlich die Vorstellung zu grausam, dass die neue HafenCity-U-Bahn 2012 fertig ist, aber lediglich in einer Bauwüste enden könnte. Schon jetzt hat sich der Baustart für den Südteil des Überseequartiers um einige Monate verschoben, im 1. Quartal 2010 soll nun dort Baustart sein. Ob es bei den 15 Euro Mietpreis bei einer Extravereinbarung bleibt, scheint noch offen. "Das wird im Gesamtpaket verhandelt", so Walter. Eine Subvention sei das aber nicht. Eher eine Hilfe, die von Anfang an klar gewesen sei. Walter: "Immerhin haben wir durch unsere Vorgaben die Investoren quasi gezwungen, so viel Büroraum zu bauen."
Doch auch an anderen Stellen in der HafenCity zeigen sich Probleme: Für das geplante Nobelhotel mitsamt neuem Kreuzfahrtterminal im Überseequartier gibt es noch keinen Betreiber. Auch die Realisierung des vollmundig immer wieder angekündigten und architektonisch ambitionierten ScienceCenters ist noch offen. Einzig der Wohnungsbau funktioniert offensichtlich noch gut in der HafenCity. "Von Leerstand kann hier keine Rede sein", sagt Philip Bonhoeffer von Engel & Völkers. Er leitet das Büro in der HafenCity. Allerdings gehe die Nachfrage im Bereich Vermietung leicht zurück. "Aber noch immer gibt es in Hamburg eigentlich viel zu wenig Wohnraum für viel zu viele Interessenten. Und davon profitiert auch die HafenCity."
Offenbar ist es zurzeit vor allem schwer, gewerbliche Mieter zu finden, die 15 Euro und mehr für Mieten zahlen. Der Trend geht daher im Büromarkt beispielsweise eher in die lang geschmähte City Nord. So verlegt ein italienischer Konzern gerade seine Hamburgzentrale vom Hafenrand in die City Nord. Begründung: Elbblick ist schön, City Nord ist billiger. Ebenfalls beliebte Firmenadresse ist wieder die City Süd in Hammerbrook.
Für die HafenCity hat die Stadt daher bereits erste Kursänderungen vorgenommen: Wohnbaufelder sollen dort jetzt vorgezogen und geplante Bürostandorte erst einmal zurückgestellt werden, sagt Oberbaudirektor Walter dem Abendblatt.
Für die Zukunft sei er im Übrigen zuversichtlich. Der Büromarkt sei schon immer zyklisch gewesen, also gebe es irgendwann auch wieder bessere Zeiten. Möglicherweise. Doch Bestand haben dürfte auch dann eines: Teure Mieten für die Stadt.