Viele Feierlichkeiten stehen dem Ex-Bundeskanzler und seiner Frau bevor - die er knurrend als “wohl unvermeidlich“ über sich ergehen lassen muss. Unser langjähriger Abendblatt-Chefreporter besuchte das Ehepaar zu Hause. Bilder von Helmut Schmidt. Zitate des Altkanzlers.
Loki Schmidt trägt einen verwegen geknüpften Seidenschal, wirkt "fit wie ein Turnschuh" und scheint alle Erinnerungen an Rückenschmerzen und hoch riskante Operationen weggezaubert zu haben. Es gibt "Adventskuchen Sabine", den eine Gärtnerin gleichen Namens alljährlich zur Vorweihnachtszeit auf den Wohnzimmertisch im Bungalow in Langenhorn stellt, an dem schon Breschnew, Giscard und andere Mächtige mit dem Hausherrn über Wege und Abwege dieser Welt verhandelt haben.
Unvermeidliches Startthema ist Helmut Schmidts heutiger 90. Geburtstag, der - wie bei Schmidt-Langenhorn üblich - privat in "winzig kleinem Rahmen" gefeiert werden wird, während Loki Schmidt für ihren 90. am 3. März 2009 ein "großes Sippentreffen" vorbereitet. Die beiderseitigen Familien haben für sie Bedeutung: Als sie anno 1974 mit dem Kanzler ins ungeliebte Bonn ziehen musste, hatte sie ihn gewarnt: "Wenn wir jetzt nicht aufpassen, werden unsere Familien auseinanderfallen."
Während an dem "Sippentreffen" rund 25 Familienmitglieder teilnehmen werden, erwarten die Schmidts am Tag vor Heiligabend lediglich "fünf Uraltfreunde". Dazu kommen Tochter Susanne, die Bankfrau und TV-Moderatorin, die mit ihrem Ehemann, einem irischen Banker, seit 20 Jahren in England lebt. Zusammen sein werden also "glückliche neun".
Zum geplanten Treffen der Familien Schmidt und Glaser an Lokis 90. bietet Loki eine entwaffnende Anekdote: Vor dem 51. Geburtstag der (damaligen) Gattin des Bundesministers der Verteidigung hatten einige Jung-Sprossen der Familienverbände schüchtern nachgefragt, ob sie ausnahmsweise Freund oder Freundin mitbringen dürften. Loki wirkt immer noch verblüfft: "Alle kamen pünktlich um 18 Uhr. Es erschien auch ein unkomplizierter junger Mann. Er nannte höflich seinen Namen, sagte dann aber den ganzen Abend nichts mehr, aß jedoch viel und mit Appetit und beobachtete scharfäugig Gäste und Ereignisse. Zum Abschied sagte er zu mir selbstbewusst: 'Es hat mir gut gefallen hier - und jetzt werde ich du zu dir sagen ...'"
Ein gemeinsames Geburtstagsgeschenk haben die Schmidts praktischerweise schon lange. Vor ihrem 85. Geburtstag entdeckten sie in einer Hamburger Galerie ein Eitner-Gemälde, das die Binnenalster und die Brücken von der Lombardsbrücke aus zeigt. "Als wir es sahen, machten wir beide 'Oh' und kauften es als Geschenk für Helmuts und meinen 85. Geburtstag und als Geschenk für unsere künftigen Geburtstage", sagt sie.
Während sie gedankenschwer dem Rauch ihrer Oldtimer-Orient-Zigarette nachblickt, erinnert sie sich an die Abenteuer und Erkenntnisse der Vergangenheit: "Als ich 50 wurde, haderte ich mit der Vergänglichkeit des Lebens. Während meines 70. lag ich in einer eiskalten Nacht in der Wüste Namibias - auf der Jagd nach der seltenen Pflanze Welwitzia Mirabilis, die mehr als 1000 Jahre alt werden solle."
Heute zählen derart gewaltige Zeitportionen und Jubiläen nicht mehr: "Ich wünsche mir, dass ich noch ein bisschen mit meinem Mann leben kann", sagt sie. 66 Jahre lang sind die beiden verheiratet - eine Ehe über Zeit und Raum, deren scheinbare Unendlichkeit und Widersprüchlichkeiten immer noch seltsame Fragen aufwerfen, die für die Schmidts keine sind und offenbar keine waren.
Über das Lebenskapitel Bonn hat Loki Schmidt gesagt: "Ich habe die Frau des Bundeskanzlers gemacht. Das war ein 12- bis 15-Stunden-Tag. Das Familienleben war auf ein Minimum reduziert. Morgens saß mein Mann, ohne ein Wort zu sagen, am Tisch. Ich stellte ihm ein paar Blümchen hin, die er auch meistens gesehen hat. Dann verloren wir uns aus den Augen. Nachts sahen wir uns wieder. Ich kochte, er machte etwas Musik, dann versuchten wir, Schach zu spielen - das war es! Bonn ganz oben - das war nicht das Leben, sondern eine Phase eines langen Lebens. Dass man im Ausland nicht als Loki Schmidt auf dem roten Teppich stand, sondern als 'Frau Deutschland', war, wenn man so will, eine Art Belohnung."
20 Jahre später verabschieden sich der Kanzler a. D. und die Lehrerin a. D. an einem tristen Regenmorgen der Tür des Hauses in Langenhorn: "Ich rufe heute Nacht an, sobald ich in Paris im Hotel bin", sagt Helmut Schmidt zu ihr. "Du siehst etwas käsig aus. Pass ja auf dich auf! Und grüß Giscard von mir", sagt sie. Abschied für 26 Stunden, einer von zahllosen Abschieden, aber ein Kuss gehört wie selbstverständlich dazu. "Das haben wir früher nicht gemacht", sagt sie nachher. "Aber heute ist das so! Wenn wir getrennt sind, rufen wir jeden Abend an, ob der andere noch da ist."
Das sprichwörtliche Schlafdefizit des Kanzlers ist längst eine Fußnote der Geschichte, die Suppe, die Loki Schmidt im Kanzler-Bungalow allnächtlich für den Heimkehrer bereithalten musste, auch. "Wir schlafen sehr viel", sagt sie. Der versteckte "Rückzugsort" am Brahmsee bleibt ein Herzensbedürfnis: "Hier will keiner ein Autogramm, hier werden wir nicht gestört, hier haben wir unsere Ruhe", sagt er.
"Ruhe findet nur der Staatsmann, der ein gutes Gewissen hat", hat Dag Hammerskjöld, der ehemalige Generalsekretär der Uno, gesagt. Helmut Schmidt weiß es. Aber aus purer Vorsicht empfiehlt er Anhängern und Gegnern sein politisches Leib- und Magen-Lehrbuch: Geschrieben hat es die Bestseller-Autorin Barbara Tuchman. Es trägt den heute hoch aktuellen Titel "Die Torheit der Regierenden".
Auch im kommenden Jahr folgen für die Schmidts noch einige Feierlichkeiten, die der Kanzler a. D. knurrend als "wohl unvermeidlich" über sich ergehen lassen muss: Die "Zeit" gibt ihrem Herausgeber eine Redaktionsparty, der Hamburger Senat verzichtet auf Wunsch seines Ehrenbürgers auf einen großen Empfang und bietet stattdessen im Kaisersaal des Rathauses ein eher bescheidenes "Senatsfrühstück", bei dem es sich allerdings, wie immer, um ein ausgewachsenes Mittagessen handelt.
Ende Januar lädt der Präsident der Helmut-Schmidt-Universität/Universität der Bundeswehr den Gründungsvater zu einer akademischen Festveranstaltung ein, auf der Bundespräsident a. D. Richard von Weizsäcker und Verteidigungsminister Franz Josef Jung sprechen werden. Nachgefeiert wird auf Einladung von Bundespräsident Horst Köhler auch im März 2009 in Schloss Bellevue in Berlin.