Der “Zeit“-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo spricht im Interview mit dem Hamburger Abendblatt über die Kolumne “Auf eine Zigarette mit Helmut...

Der "Zeit"-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo spricht im Interview mit dem Hamburger Abendblatt über die Kolumne "Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt", die seit Mai 2007 wöchentlich im "Zeit-Magazin" erscheint, jedoch im Januar 2009 eingestellt werden soll.


Abendblatt:

Wie viel Helmut Schmidt steckt nach all diesen Interviews in Ihnen? Anders gefragt: Rauchen Sie mittlerweile auch?

Giovanni di Lorenzo:

Ganz im Gegenteil. Ich bin in dieser Zeit praktisch zum Nichtraucher geworden. Mir ist allerdings nicht bewusst, dass Helmut Schmidt einen Anteil daran hätte. Es wäre furchtbar anmaßend zu sagen, es sei ganz viel Helmut Schmidt auf mich abgefärbt. Aber man lernt den Menschen Schmidt und den Staatsmann Schmidt in diesen Gesprächen natürlich anders kennen. Und über diese Erfahrung bin ich sehr glücklich.



Abendblatt:

Wie haben Sie den Menschen Schmidt denn kennengelernt? Erinnern Sie sich an einen besonders beeindruckenden Moment?

Di Lorenzo:

Einen einzelnen Moment möchte ich gar nicht hervorheben. Beeindruckend ist seine Offenheit gegenüber den Fragen, die für Helmut Schmidt - insbesondere in der Anfangsphase - bestimmt manchmal auch etwas von einer Zumutung hatten.



Abendblatt:

Weil Helmut Schmidt die Fragen als zu persönlich empfand?

Di Lorenzo:

Ja, aber er hat nie eine Frage übel genommen. Natürlich hat er manchmal eine Frage weggeknurrt. Oder gesagt: "Das sprengt jetzt hier den Rahmen, darauf möchte ich nicht antworten." Manchmal hat er auch vor seiner Antwort eine schwer zu verkraftende, sehr lange Pause gemacht. Aber im Gegensatz zu fast allen anderen Menschen, die ich kenne, hat er bei der Autorisierung der Interviews seine Meinung nie zurückgenommen.



Abendblatt:

Gab es je eine Frage, die Sie gern gestellt hätten, sich dann aber doch nicht getraut haben?

Di Lorenzo:

Absolut. Jetzt, da sich unsere Interviewreihe dem Ende entgegenneigt, haben wir ein längeres Gespräch geführt, das Ende Januar in einem Buch mit den Zigaretten-Gesprächen veröffentlicht wird. Es sind einige Fragen dabei, bei denen ich lange überlegt habe, ob man sie überhaupt stellen darf.



Abendblatt:

Zum Beispiel?

Di Lorenzo:

Es sind die ganz grundsätzlichen Fragen, über das Leben, die Liebe, den Tod.



Abendblatt:

Klären Sie das jeweilige Thema der Kolumne mit Helmut Schmidt ab?

Di Lorenzo:

Ja, er möchte es vorab wissen. Vor allem aber muss ich mich vorbereiten, es ist schließlich meist ein Ausflug in die Politik oder die Geschichte dabei. Da ist es gut, wenn man spontan, aber nicht unbedarft erscheint.



Abendblatt:

Die Kolumne heißt "Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt" - wie viele Zigaretten raucht er wirklich pro Interview?

Di Lorenzo:

Manchmal wirklich nur eine, manchmal mehrere. Meist sitzen wir eine halbe Stunde zusammen, manchmal verplaudern wir uns auch. Aber es wird immer geraucht, immer geschnupft. Und er trinkt immer Kaffee mit viel Zucker. Das ist ein sehr wirkungsvoller Mix, der nicht unter das Betäubungsmittelgesetz fällt.



Abendblatt:

Wann treffen Sie sich?

Di Lorenzo:

Meist freitags, nach der Konferenz des Politikressorts. Auf dem Weg zurück in sein Büro kommt Helmut Schmidt bei mir vorbei und nimmt auf einem Schreibtischstuhl Platz, der nicht sehr bequem ist. Aber er mag es so.



Abendblatt:

Gab es je eine Antwort von Helmut Schmidt, die Sie überrascht hat?

Di Lorenzo:

Oh ja. Als ich ihn nach den Stars seiner Jugend gefragt habe. Da erzählte er beispielsweise überraschend, dass er einst mit Grace Kelly Walzer getanzt hatte. Daraus entstand dann ein spontanes Interview.



Abendblatt:

Manche Leser beginnen die Lektüre des "Zeit-Magazins" von hinten, eben wegen dieser Kolumne. Warum wird dieses erfolgreiche Format eingestellt?

Di Lorenzo:

Ich musste Helmut Schmidt schon am Anfang versprechen, dass die Serie zeitlich begrenzt ist. Eigentlich wollte er nur bis Ende 2007 mitmachen, dann hat er bis zum Sommer verlängert. Dann haben wir ihn noch einmal überzeugen können, bis Januar 2009 weiterzumachen. Anfangs musste ich ihn regelrecht von dem Konzept überzeugen. Denn kurze Antworten waren für ihn bis dahin eher ungewohnt. Jetzt glaube ich: Es ist vielleicht gar nicht so schlecht, aufzuhören, wenn die Leser es noch wirklich bedauern.



Abendblatt:

War das auch das Argument von Helmut Schmidt?

Di Lorenzo:

Er hatte auch die Sorge, dass uns irgendwann die Gesprächsthemen ausgehen. Wir basteln in der Redaktion gerade an einem Nachfolge-Projekt, das ist natürlich schwierig. Ich verrate Ihnen den Arbeitstitel: "Die Zigarette danach". Aber ich muss wirklich sagen, dass es mir leid tut, dass wir aufhören.



Abendblatt:

Gab es in Zeiten des Rauchverbots jemals Widerstand gegen den Titel der Kolumne?

Di Lorenzo:

Sogar starken, vorwiegend von organisierten Nichtrauchern. Natürlich gibt es auch Nichtraucher mit guten Argumenten, das möchte ich gar nicht verurteilen. Aber einige waren in ihrer Diktion derart unangenehm, dass ich mir als Nichtraucher dachte: "Na, dann lieber einen Raucher."



Abendblatt:

Was wünschen Sie Helmut Schmidt zum 90. Geburtstag?

Di Lorenzo:

Ich habe gerade erst Loki und Helmut Schmidt zusammen erlebt. Es war so schön, so ermutigend, so anrührend, dieses Paar zusammen zu sehen. Ich saß einfach nur dort und wünschte, dass es ewig so weitergehen könne.