In den 90er-Jahren setzte der Staat auf behutsames Eingreifen. Jetzt soll schneller und härter durchgegriffen werden.

Seit Anfang der 90er-Jahre steht die Jugendkriminalität im Brennpunkt polizeilicher Arbeit und öffentlicher Aufmerksamkeit. Spektakuläre Fälle wie die Taten der sogenannten "Crash-Kids" um den Autoknacker Dennis N. oder die Ermordung des Lebensmittelhändlers Willi Dabelstein standen am Anfang.

Die jüngsten Beispiele lieferten die drei jugendlichen Schläger, die einen Frührentner in der Neujahrsnacht 2008 brutal zusammentraten, und die kriminelle "Karriere" des Ahmad Obeidi: Der heute 24-Jährige, der seine 16 Jahre alte Schwester Morsal mit 23 Messerstichen tötete und deswegen von morgen an vor Gericht steht, hat ein langes Register von Jugendstraftaten.

Die Geschichte der Bekämpfung der Jugendkriminalität ist in Hamburg - aber nicht nur hier - auch eine Geschichte von Niederlagen und bisweilen Irrwegen. In den 90er-Jahren galt es noch als selbstverständlich, den Versuch zu wagen, jugendliche Straftäter durch behutsames Eingreifen des Staates aus der Kriminalitätsspirale herauszuführen. Es war die hohe Zeit der erlebnispädagogischen Reisen. Auf Segelörns im Mittelmeer oder in entlegenen Camps wie zum Beispiel im finnischen Kuttula sollten die Jugendlichen zu sich kommen und die Regeln des (straffreien) Zusammenlebens in einer Gesellschaft erlernen.

Die Maßnahmen waren nicht nur sehr teuer, sie hatten auch überaus zweifelhafte Ergebnisse. "Crash-Kid" Dennis N. zum Beispiel gelang mehrfach die Flucht aus solchen Einrichtungen - mit der Folge von neuen Straftaten in der Freiheit. Ende 2007 wurde Dennis N., inzwischen 28 Jahre alt, zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt.

Die jugendlichen Mörder des Lebensmittelhändlers Dabelstein waren in einer Wohngruppe untergebracht, in der sie zeitweise - wie auch vor der Tat - ohne Aufsicht waren. Nach dem schrecklichen Mord richtete der damalige rot-grüne Senat eine kostenintensive Rund-um-die-Uhr-Betreuung in den Wohngruppen ein.

Konservative Kritiker warfen dem Senat einen zu laschen Umgang mit jugendlichen Straftätern vor und forderten die Einrichtung eines geschlossenen Heimes für all diejenigen Jugendlichen, deren Strafregister nicht für eine Haftstrafe ausreicht. Auf Betreiben Schills richtete der neue Senat von CDU, Schill-Partei und FDP nach 2001 das geschlossene Heim Feuerbergstraße ein. Es wurde ein Flop: Zu wenige Jugendliche wurden eingewiesen, und von den wenigen brachen zu viele aus oder hauten während eines Ausgangs ab. Vor wenigen Wochen hat der schwarz-grüne Senat das Heim geschlossen.

Die moderne Form der Bekämpfung der Jugendkriminalität setzt auf das Prinzip der frühen, schnellen und harten Reaktion des Staates sowie die Täterorientierung in der polizeilichen Ermittlungsarbeit. Das heißt: Die beste Chance, einen jungen Menschen von der "schiefen Bahn" abzubringen, bietet sich ganz am Anfang, bei den ersten "kleinen" Straftaten.

Hier zeigt der Staat heute nicht Milde und Nachsicht, sondern Härte und Konsequenz. Das beginnt mit sogenannten Ermahnungsgesprächen, die weniger harmlos sind, als sie klingen, weil Polizei und Staatsanwaltschaft zu Hause bei den Eltern anrücken, um den Ernst der Lage zu verdeutlichen. In dieselbe Richtung weisen das Pilotprojekt PriJuS, das zum 1. Januar starten soll, und Protäkt (Projekt täterorientierte Kriminalitätsbekämpfung), in dem rund 100 besonders gefährliche jugendliche Intensivtäter betreut werden.

Heute sind vor allem gewaltbereite Jugendliche das große Problem. Die Zahl der Tatverdächtigen unter 21 Jahren bei Gewaltkriminalität ist von 2287 (2002) auf 3048 (2007) angestiegen. Die Gesamtzahl jugendlicher Tatverdächtiger ist im gleichen Zeitraum dagegen sogar von 18 518 auf 18 371 gesunken.