Der Berliner Professor Willfred Vedder ist Experte für...

Der Berliner Professor Willfred Vedder ist Experte für Bauprojektsteuerung.


Hamburger Abendblatt:

Herr Vedder, hängt eine Kostenexplosion bei öffentlichen Bauten in erster Linie damit zusammen, dass anfangs ein sehr niedriger "politischer Preis" angesetzt wird, um die Sache erst einmal zum Laufen zu bringen?

Willfred Vedder, Diplom-Ingenieur und Experte für Bauprojektsteuerung aus Berlin:

Das ist Spekulation, weil das natürlich eine Unterstellung beinhaltet. Die Frage nach einem möglichen politischen Preis ist technisch nicht zu beantworten. Das hat mehr etwas mit Politik zu tun und der Initiative für solche Objekte.



Abendblatt:

Aber die ersten Zahlen, was die ganze Sache kosten soll, kommen in der Regel von den Planern, also den Architekten. Sind das realistische Zahlen?

Vedder:

Das kommt auf die Qualität der Ermittlungen an, also darauf, wie durchgeplant das Projekt ist.



Abendblatt:

Basieren diese ersten Zahlen denn bereits auf Machbarkeitsstudien?

Vedder:

Nicht unbedingt. Dabei handelt es sich meistens um Vergleichszahlen von ähnlichen Objekten.



Abendblatt:

Etwas Vergleichbares zur Elbphilharmonie gibt es nicht.

Vedder:

Genau. Das macht es in diesem Fall ja so schwierig. Bei der Elbphilharmonie handelt es sich um ein weltweites Unikat, das in dieser Form noch nie gebaut worden ist. Da sind die Risiken natürlich sehr viel größer als bei einem Standardobjekt. Und es dürfte schon schwierig sein, die Kosten hierfür mit einer geringen Spannweite zu ermitteln.



Abendblatt:

Die unwägbare Lage am Wasser, das Baugrundrisiko, der in 55 Meter Höhe aufgehängte Konzertsaal, die Glasfassade - das alles ließ sich nicht genauer kalkulieren?

Vedder:

Selbst wenn man zum Beispiel Materialmengen akribisch ermittelt, bleibt das große Problem, dass man keine Vergleichszahlen hat.



Abendblatt:

Wo sind die größten Fallstricke, dass ein Bauablauf nicht störungsfrei über die Bühne geht?

Vedder:

Bei solch großen Objekten ist es angezeigt, dass man der Planung einen ausreichenden zeitlichen Vorlauf gibt. Sie sollte so konkretisiert werden, dass sie als durchgeplant betrachtet werden kann. Bevor man in den Markt geht, um einen Bauausführungspreis zu bekommen, sollten also möglichst alle Unwägbarkeiten ausgeschlossen sein. Kostentreibend bei solchen Objekten ist eine nicht durchgeplante technische Lösung, die hinterher durch Änderungen als Auflagen der Bauaufsicht oder der Feuerwehr zu Buche schlägt.



Abendblatt:

Worauf muss man konkret achten?

Vedder:

Es geht um die Machbarkeit der Planung im Sinne von Genehmigungsfähigkeit und im Sinne von Beachtung aller bauordnungsrechtlichen Bedingungen. Nehmen Sie nur den Brandschutz: Die Elbphilharmonie ist ja eine Versammlungsstätte mit höchsten Anforderungen, da gibt es keine Standardlösungen.



Abendblatt:

Manche sprechen davon, dass es bei der Elbphilharmonie mehr als 50 Positionen gegeben hat, die nicht durchgeplant gewesen sein sollen.

Vedder:

Das ist bei einigen Objekten der Fall, nicht nur bei der Elbphilharmonie. Da wird vieles nicht durchgeplant, weil man aus ehrgeizigen Zeitzielen an den Markt gegangen ist.



Abendblatt:

Alle daraus resultierenden Änderungen werden teuer, aber wie sind Kostensteigerungen in diesen Dimensionen, im dreistelligen Millionenbereich, zu erklären?

Vedder:

Ich möchte ungern spekulieren, aber mir scheint es auch ziemlich hoch zu sein.



Abendblatt:

Könnte die Kostenexplosion auch damit zusammenhängen, dass die ReGe als Bauherr und nicht Hochtief als Generalunternehmer für die Architekten zuständig ist?

Vedder:

Wenn die ReGe als Bauherr die Architekten nicht im Griff hat, dann liegt das bestenfalls an dem Vertrag zwischen ReGe und Architekt und nicht an der Vertragskonstruktion als solche, denn der ist marktüblich - und meiner Meinung nach nicht notwendigerweise Ursache solcher Kostenexplosion.