“Das ist Neuland. Einen derartigen Fall haben wir bislang nicht erlebt“, sagt Sprecher Wilhelm Möllers.
Nach möglichen Einsätzen deutscher Kriegsschiffe gegen Piraten vor Somalia ist die Hamburger Staatsanwaltschaft als Ermittlungsbehörde zuständig. Wilhelm Möllers, Sprecher der Staatsanwaltschaft Hamburg, sagte dem Abendblatt: "Im Extremfall kann es auf Hamburg zukommen, dass wir ermitteln müssen." Dies sei in der Strafprozessordnung geregelt. Unter Paragraf 10a heißt es, dass für eine Straftat, die "außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes im Bereich des Meeres" begangen wird, der Gerichtsstand Hamburg sei. "Einen derartigen Fall haben wir bislang nicht erlebt", so Möllers. "Wir betreten damit Neuland, sind aber nicht unvorbereitet."
Die Bundeswehr steht derzeit vor dem ersten großen internationalen Einsatz gegen Seeräuber vor der Küste Somalias. Bislang ist es jedoch völlig unklar, wie sich die deutsche Marine an der Piraterie-Bekämpfung beteiligen könnte. An einer Regelung arbeitet die Bundesregierung. Laut Vizeregierungssprecher Thomas Steg will das Bundeskabinett über die Beteiligung der deutschen Marine am 3. oder 10. Dezember entscheiden. Der Bundestag könnte dann noch vor Weihnachten darüber beschließen. Die Zeit drängt, schließlich startet die Mission der Europäischen Union mit fünf bis sieben Kriegsschiffen bereits am 8. Dezember. Anlass für die erneute Debatte ist die Kaperung eines Öltankers vor Somalia mit 300 Millionen Liter Rohöl im Wert von 100 Millionen Dollar.
Das mögliche Eingreifen der Marine stellt den Gesetzgeber vor große Probleme. Schließlich hat die Bundeswehr keinerlei rechtliche Grundlage, Straftäter wie Piraten festzunehmen. "Unser Ansprechpartner ist nicht die Bundeswehr, sondern die Polizei", so Staatsanwalt Wilhelm Möllers. Das hieße, dass etwa Bundespolizisten mit an Bord der Kriegsschiffe sein müssten. Konrad Freiberg, Bundeschef der Gewerkschaft der Polizei, schlägt dafür die GSG 9 vor. "Diese Bundespolizei-Einheit ist auf das Kapern und Befreien von Schiffen spezialisiert." Da deutsche Kriegsschiffe deutsches Hoheitsgebiet sind, gilt dort deutsches Recht. "Deshalb müsste es an Bord auch Staatsanwälte, Richter und Dolmetscher geben - deutlich getrennt von der Bundeswehr", so Freiberg.
In diesem Fall müsste dann einer der acht zuständigen Hamburger Haftrichter des Amtsgerichts Mitte auf dem Kriegsschiff mitfahren. Dass diese aber außerhalb Hamburgs eingesetzt werden können, ist nirgends geregelt. Ebenso wenig klar ist, ob Strafverfolger und Richter auf Kriegsschiffen eingesetzt werden dürfen. Geregelt ist dagegen, dass mutmaßliche Straftäter nur begrenzt festgehalten werden dürfen. "Nach unserer Verfassung ist ein Verdächtiger spätestens am Tage nach seiner Festnahme einem Richter zuzuführen", so Gerichtssprecherin Sabine Westphalen. Ein Richter auf hoher See würde jedoch dem Verdächtigen zugeführt. Das Grundgesetz-Prinzip wäre somit umgedreht. Es müsste daher auch untersucht werden, ob es umsetzbar ist, einen Hamburger Haftrichter in der gesetzlich vorgeschriebenen Frist an Bord einer vor Somalia liegenden Fregatte einzufliegen. In Hamburger Justizkreisen erwartet man diesbezüglich eine rasche Regelung des Bundesgesetzgebers.