Der profilierte Parteilinke unterliegt im Kampf um den Bundestagswahlkreis Eimsbüttel dem Juso-Landeschef. Schlittert die Hamburger SPD immer tiefer in die Krise?

Die Hamburger SPD steht kaum zwei Jahre nach dem Skandal um die gestohlenen Stimmzettel erneut vor einer Zerreißprobe. Nachdem Juso-Chef Danial Ilkhanipour (27) am Sonnabend überraschend den profilierten Parteilinken Niels Annen (35) bei der Nominierung des Eimsbüttler Bundestagskandidaten mit 45 zu 44 Delegierten besiegt hatte, zeichnet sich ein Aufbrechen alter Flügelkämpfe ab.

Hintergrund: Ilkhanipour hatte sich insgeheim eine Mehrheit bei den Delegiertenwahlen organisiert und erst danach seine Kandidatur bekannt gegeben. Damit hatte er die Linken um Eimsbüttels Kreischef Jan Pörksen kalt erwischt. Da der Sohn iranischer Einwanderer früher für den Parteirechten Johannes Kahrs gearbeitet hat, fürchten sie nun einen Durchmarsch der Rechten - beginnend ausgerechnet im traditionell linken Eimsbüttel.

"Wir können jetzt nicht zur Tagesordnung übergehen", sagte der sichtlich schockierte Kreischef Pörksen nach der knappen Niederlage des von ihm unterstützten Niels Annen. "Das stellt die SPD jetzt vor eine Zerreißprobe , und zwar nicht nur in Eimsbüttel." Eine eilig einberufene Kreisvorstandssitzung blieb ergebnislos - obwohl viele mit dem sofortigen Rücktritt Pörksens gerechnet hatten. Am Mittwoch kommt der Kreisvorstand erneut zusammen - Rücktritte nicht ausgeschlossen. Denn es ist schwer vorstellbar, dass Pörksen als Kreischef gewillt oder in der Lage ist, für Ilkhanipour den Wahlkampf zu organisieren. Tatsächlich hatte niemand ernsthaft mit einer Niederlage Annens gerechnet, der auch im SPD-Bundesvorstand sitzt und sich als Außenpolitiker in der Fraktion einen guten Ruf erarbeitet hatte. Als das Ergebnis der geheimen Abstimmung am Abend bekannt gegeben wurde, trat in der Aula der Ida-Ehre-Schule, in der die Delegierten tagten, für ein paar Sekunden absolute Stille ein. Selbst Überraschungssieger Ilkhanipour gab erst einmal keinen Laut von sich. Und Verlierer Annen schlug die Hände vor das Gesicht. Erst nach einer Weile fassten sich die Kandidaten - und Annen gratulierte seinem Gegner zum Sieg. Während die Ilkhanipour-Fraktion um den Juso Hauke Wagner den Sieg bis spät in die Nacht begoss, machte sich bei den Annen-Anhängern Ratlosigkeit breit. "Ich weiß gar nicht, wie wir jetzt noch im Wahlkampf unsere Leute mobilisieren sollen", sagte der Lokstedter Distriktschef Ernst Christian Schütt.

Was den Hintergrund des Annen-Sturzes angeht, kursierten neben der Annahme, es handle sich um einen Putsch der Parteirechten, auch ganz andere Theorien. Weil mit Wagner und anderen auch Mitarbeiter des 2007 durch den Stimmzettelklau gestürzten Ex-Parteichefs Petersen an dem Juso-Coup beteiligt waren, hieß es zum Beispiel, Petersen habe eine alte Rechnung beglichen. Denn Annen soll 2007 am Sturz Petersens mitgearbeitet haben. Aber auch ein anderer Vorwurf wurde erhoben: Ilkhanipour habe zuletzt eine Welle von Parteieintritten in Eimsbüttel organisiert - vor allem von Freunden und Bekannten. Mit ihrer Hilfe habe er Delegiertenwahlen in den Distrikten kontrolliert und sich die nötige Mehrheit verschafft. Tatsächlich waren unter den Delegierten am Sonnabend auffallend viele junge Männer und Frauen, die nicht ins gewohnte Bild sozialdemokratischer Gremien passen.

Allerdings gab es auch Kritik an Annen. So wurde ihm vorgeworfen, dass er mit 35 Jahren noch immer sein Studium nicht beendet habe - obwohl er dies 2005 versprochen hatte.

Eine Chance, es über die Landesliste doch noch in den Bundestag zu schaffen, wird Annen wohl nicht bekommen. Zuletzt hatte die SPD in Hamburg alle Direktmandate gewonnen, sodass es niemand über die Liste nach Berlin schaffte. Zudem gilt Arbeitsminister Olaf Scholz für Platz eins der Liste als gesetzt - und auf Platz zwei tritt wegen der Quotenregelung eine Frau an.

Parteichef Ingo Egloff, der Annen unterstützt hatte, warnte am Sonnabend vor neuem Richtungsstreit. Zu einer Gratulation an Ilkhanipour konnte er sich übrigens nicht durchringen.


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