Das Thema Sterbehilfe ist nicht nur ethisch, sondern auch rechtlich umstritten. In Deutschland gibt es kein Sterbehilfegesetz und auch keine Strafrechtsnorm zur Sterbehilfe. Das Strafgesetzbuch enthält lediglich den Tatbestand "Tötung auf Verlangen". Mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren ist danach zu bestrafen, wer "durch das ausdrückliche und ernstliche Verlangen des Getöteten zur Tötung bestimmt worden ist." Voraussetzung ist also, dass jemand einen anderen tötet.

Im Fall Kusch ergeben sich diesbezüglich Zweifel. Denn nach Angaben des Ex-Senators hat Bettina Sch. die tödliche Medizin freiwillig und selbstständig eingenommen, sich also selbst getötet. Wenn der Jurist die Wahrheit sagt, wird er nicht wegen "Tötung auf Verlangen" belangt werden können. So sieht es der Strafrechtsprofessor Eric Hilgendorf von der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg. Kusch habe vielmehr Beihilfe zum Suizid geleistet, und die sei straflos. Denn nicht Kusch, sondern Bettina Sch. habe im letzten und damit entscheidenden Moment die sogenannte "Tatherrschaft" gehabt, das erforderliche Abgrenzungskriterium der Rechtsprechung.

Auch den Straftatbestand "Tötung durch Unterlassen" sieht Hilgendorf nicht als gegeben. Rechtlich kann man zwar töten nicht nur durch Handeln, sondern ebenso durch Unterlassen. Kusch könnte Bettina Sch. demnach getötet haben, indem er es unterlassen hat, ihren Tod zu verhindern. Er war jedoch laut Hilgendorf kein "Garant". Er hatte keine besondere Pflicht, den Tod von Bettina Sch. zu verhindern. Bei Unterlassungsdelikten ist eine solche Garantenstellung erforderlich. Ärzte können solche besonderen Pflichten haben.

Kusch könnte sich ferner einer "Unterlassenen Hilfeleistung" strafbar gemacht haben. Hierfür müsste ein "Unglücksfall" vorliegen. Ein Suizid ist laut Hilgendorf aber kein Unglücksfall. Sollte die Rechtsprechung das anders sehen, hat sich Kusch womöglich dadurch gerettet, dass er Bettina Sch. bereits alleine ließ, als sie noch bei vollem Bewusstsein war. Dies wusste Kusch bei der Tat.

Hilgendorf geht davon aus, dass Kusch straffrei bleiben wird. Dieses Ergebnis sei weniger auf eine geregelte Gesetzgebung zurückzuführbar als vielmehr "die zufällige Folge eines dogmatischen Grundsatzes", sagt er. Denn eine Bestrafung wegen "Beihilfe" erfolgt nur, wenn eine rechtswidrige Haupttat vorliegt. "Suizid ist jedoch tatbestandslos, also bleibt auch die Beihilfe zum Suizid straffrei", so Hilgendorf. "Wer dem Suizidenten den Strick reicht, mit dem er sich aufhängt, macht sich nicht strafbar." Sicher ist sich Hilgendorf "dass Kusch in den 50er-Jahren bestraft worden wäre." In Großbritannien ist Beihilfe zum Suizid noch heute strafbar.