Hospiz-Stiftung nennt Hamburger Juristen “politischen Amokläufer“. Staatsanwälte schalten sich ein.
Hamburg. Mit Empörung und Entsetzen haben Parteien, Kirchen und Verbände aus ganz Deutschland auf die Sterbebegleitung durch den ehemaligen Hamburger Justizsenator Roger Kusch reagiert. Der Jurist (53) schilderte gestern in Hamburg detailliert den Fall der 79-jährigen Bettina Sch. Die Würzburger Rentnerin hatte am vergangenen Sonnabend im Beisein von Kusch zwei Becher Gift getrunken und war dann gestorben.
Kusch hatte vor Eintreten ihrer Bewusstlosigkeit den Raum verlassen, das Geschehen aber mit einer installierten Kamera gefilmt. Die Staatsanwaltschaften in Würzburg und Hamburg prüfen, ob ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werde, sagten Sprecher der Anklagebehörden.
Die Rentnerin sagte Kusch vor dem Freitod, dass sie Angst habe, bald in ein Pflegeheim zu müssen. Körperlich war die Frau weitgehend gesund. Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) bezeichnete die Sterbehilfe Kuschs als "absolut inakzeptabel". Der Angst, medizinisch überversorgt, aber pflegerisch unterversorgt ohne Beistand im Heim sterben zu müssen, sei nicht mit Sterbehilfe zu begegnen, sondern mit Verbesserung der Umstände und Bedingungen am Lebensende, erklärte Göring-Eckardt. Auch die Deutsche Hospiz-Stiftung wirft Kusch vor, es gehe ihm nur um Aufmerksamkeit. Vorstand Eugen Brysch: "Es gibt ein Recht auf Leben, es gibt auch ein Recht auf Sterben, es gibt aber nicht das Recht auf Tötung." Kusch sei ein politischer Amokläufer, der aus tiefstem Narzissmus die Angst der Menschen missbrauche.
Kusch sagte, er habe den von ihm angepriesenen "Tötungsautomaten" nicht eingesetzt. Die Patientin sei in der Lage gewesen, selbstständig zu schlucken. Deshalb habe sie die Gifte Chloroquin und Diazepam in zwei Bechern zu sich genommen. Diese Methode gilt laut Kusch als "risikoarm". Außerdem sei dabei kein Arzt vonnöten, der Kanülen setze, wie es bei dem Automaten Voraussetzung gewesen wäre.
Der CDU-Ethikexperte Hubert Hüppe sagte, Kusch betreibe eine perfide Art von Selbstdarstellung mit dem Leiden von Menschen". Die Gemeinnützigkeit seines Vereins "Dr. Kusch Sterbehilfe" bedürfe einer Überprüfung. Die Hamburger Bürgerschaftsabgeordnete Jana Schiedek (SPD) sagte: "Wir brauchen keinen Todesengel, sondern Verbesserungen für Menschen im hohen Alter."