Die Kirchenleitung will alles tun, um eventuellen Opfern zu helfen. Krzysztof Stobinski, der den Fall ins Rollen brachte, erhielt gestern Mittag eine anonyme Morddrohung.

Niemand öffnete die Tür in dem Büro, in dem der beschuldigte Priester seinen Dienst tut. Niemand wollte Auskunft geben zu den Vorwürfen, der Geistliche habe sich an Kindern vergangen. Der Priester, der im Verdacht steht, sich als Vorsteher einer Hamburger Gemeinde an ihm anvertrauten Ministranten vergangen zu haben, er schwieg gestern zu der Strafanzeige, über die das Abendblatt gestern exklusiv berichtete.

Die Kirchenleitung tat, was sie ankündigte: Nachdem gestern Rücksprache mit der Hamburger Staatsanwaltschaft gehalten wurde, beurlaubte Erzbischof Werner Thissen den betreffenden Priester mit sofortiger Wirkung. Die Strafanzeige war von dem Pastoralrats-Mitglied Krzysztof Stobinski und seinem Rechtsanwalt Wolfgang Vehlow bei der Staatsanwaltschaft eingereicht worden. Stobinski sagte, er handele im Namen mehrerer Gemeindemitglieder, die Kenntnis von pädophilen Übergriffen des Priesters hätten. Stobinski und Vehlow setzten sich gestern, nach Bekanntwerden der Suspendierung, erneut zusammen, um das weitere Vorgehen zu besprechen. "Die Suspendierung ist ein Schritt in die richtige Richtung", sagte Vehlow, der die Vorwürfe als "ungeheuerlich", die Beweislage als "schwerwiegend" bezeichnet. Bei ihm meldeten sich gestern zwei weitere Gemeindemitglieder, die von konkreten Vorfällen mit dem Pfarrer und ihm anvertrauten Ministranten berichten können. Laut Vehlow wollen diese möglichen Zeugen zunächst anonym bleiben.

"Ich bin sehr betroffen, dass ein Priester unserer Kirche unter einem solchen Verdacht steht", sagt Erzbischof Werner Thissen gestern. "Wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um zur Aufklärung der Vorwürfe beizutragen." Thissen versprach, exakt nach den Richtlinien zu handeln, die die Deutsche Bischofskonferenz für derartige Fälle aufgestellt hat.

"Wenn junge Menschen zu Schaden gekommen sind, werden wir alles tun, um ihnen zu helfen", so Hamburgs oberster Katholik weiter.

Die Strafanzeige basiert neben Zeugenaussagen auch auf Briefen aus den Jahren 1999 und 2000, die bei einem schwer erkrankten weiteren Priester gefunden wurden. Darin wird konkret geschildert, dass der Verdächtige einen Jungen geküsst und ihm in den Schritt gefasst habe. Die Staatsanwaltschaft gab auch gestern aus ermittlungstaktischen Gründen keine Details bekannt. Die Akte befindet sich derzeit beim LKA. Der verdächtige Priester, dessen Identität dem Abendblatt bekannt ist, wollte sich nicht äußern. Auf die Frage, warum sein Mandant Stobinski gleich Strafanzeige erstattet und nicht zunächst die Kirchenführung informiert habe, sagte Vehlow: "Wer sagt denn, dass er das nicht getan hat?"

Unterdessen hat Stobinski gestern eine anonyme Morddrohung erhalten, wie er dem Abendblatt bestätigte. Ein polnisch sprechender Mann rief ihn auf dem Handy an und sagte, Stobinski werde mit seinem Auto in die Luft fliegen - sein "Ende sei nah". Rechtsanwalt Vehlow will heute Strafanzeige gegen Unbekannt stellen. "Der Fall hat damit eine neue Dimension erreicht", sagte Vehlow dem Abendblatt. Er werde mit den Behörden klären, ob sein Mandant Polizeischutz benötige.