Weihbischof Jaschke sagt, er habe von nichts gewusst - und kündigte Beurlaubung des Beschuldigten an.

Die Geste war ebenso außergewöhnlich wie unerwartet: Während seines USA-Besuchs in der vergangenen Woche bat Papst Benedikt XVI. die Missbrauchsopfer pädophiler Priester um Vergebung. Praktisch zeitgleich nähren Vorfälle in der Katholischen Kirche Hamburg den Verdacht, dass es in den vergangenen Jahren auch hier zu sexuellen Übergriffen an Kindern gekommen ist. Die Staatsanwaltschaft ermittelt unter dem Aktenzeichen 7203 JS 85/08 gegen einen Hamburger Priester, der sich an Ministranten vergriffen haben soll. Der Name des Geistlichen und die detaillierten Vorwürfe liegen dem Abendblatt vor.

Anlass ist die Strafanzeige eines namhaften Gemeindemitglieds gegen einen Pfarrer der Katholischen Kirche Hamburg. Antragsteller ist der Kaufmann Krzysztof Stobinski, Präsident des Polish Business Clubs Hamburg e. V. und Mitglied des Pastoralrats, einem der höchsten Gremien des Bistums.

"Als rechtschaffender Bürger bin ich verpflichtet, derartige Vorfälle zu melden", sagte Stobinski dem Abendblatt. "Ich kann es persönlich nicht verantworten, dass weiterhin Kinder missbraucht werden." Mehrere Zeugen hätten konkrete Vorwürfe gegen den keinesfalls unbekannten und unbedeutenden Priester erhoben. Diese, so Stobinski, richten sich im Kern nicht gegen die angeblich aktiv ausgelebte Homosexualität des Pfarrers, sondern gegen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen in Hamburg.

Die Anfang dieses Monats eingereichte Strafanzeige, die Stobinski auch stellvertretend für andere stellt, bezieht sich auf den Verdacht "der sexuellen Misshandlung der ihm anvertrauten Ministranten und Jugendlichen", so Stobinski. Basis sind Briefwechsel aus den Jahren 1999 und 2000, die erst jetzt in den Unterlagen eines weiteren, schwer erkrankten Hamburger Pfarrers gefunden wurden.

Darin berichten die Unterzeichner, sie hätten eindeutig einen Vikar gesehen, wie er einen jüngeren Jungen geküsst und ihm dabei zwischen die Beine gefasst habe, heißt es in einem Brief vom Dezember 1999 an die Kirchenleitung. Weiter schreiben sie, dass sie die Verantwortlichen um eine diskrete, wenn auch entschiedene Reaktion bitten. Dabei gehe es auch um das Wohle der Kirche. In einem weiteren Schriftstück heißt es, dass man in großer Sorge um die Messdiener ist.

"Die Vorwürfe sind ungeheuerlich, die Beweise schwerwiegend", sagt Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Vehlow, der im Namen seines Mandanten Krzysztof Stobinski die Staatsanwaltschaft einschaltete. Stobinski und andere Mitglieder der katholischen Gemeinde in der Hansestadt seien besonders verbittert, da der beschuldigte Geistliche, der zwischenzeitlich außerhalb Hamburgs tätig war, weiterhin Kinder und Jugendliche in seiner Obhut habe. Vehlow gilt als durchsetzungsstarker Jurist. Er vertritt unter anderen die Ehefrau des in die Spionage- und Polonium-Affäre verwickelten Russen Dmitri Kowtun, aber auch die Hinterbliebenen der Opfer eines Flugzeug-Zusammenstoßes über dem Bodensee sowie eines Hallen-Zusammensturzes im polnischen Kattowitz.

Die Staatsanwaltschaft Hamburg bestätigte zwar die Aufnahme von Ermittlungen, wollte jedoch keine Einzelheiten mitteilen. Wie das Abendblatt erfuhr, liegt die Akte derzeit beim Landeskriminalamt.

"Seitens des Erzbistums wissen wir von gar nichts", sagte Weihbischof Dr. Hans-Jochen Jaschke unserer Zeitung. Die Kirche werde jetzt von sich aus auf die Staatsanwaltschaft zugehen, um Licht ins Dunkel zu bringen. Werden Existenz von Strafanzeige und Ermittlungsverfahren bestätigt, sei die Konsequenz klar: "Dann werden wir die betreffende Person ohne Verzug bis zur Klärung der Angelegenheit beurlauben", sagte Jaschke. So wie es die Richtlinien der Deutschen Bischofskonferenz vorsieht. Weitere Schritte seien dann die Bildung einer unabhängigen Kommission und eine "kirchlich offene" Behandlung des Themas.