Der frühere Zweite Bürgermeister nutzte seine Aussage zum geschlossenen Heim Feuerbergstraße zu harter Kritik an Schnieber-Jastram und an der CDU.
Es war fast so wie früher. 17.05 Uhr, Stephansplatz: Auftritt Ronald Barnabas Schill. Kaum dass sich der Ex-Innensenator mit seinem Anwalt Corvin Fischer, einigen Bodyguards und alten Getreuen nähert, da laufen, nein, besser stürzen Kamerateams und Fotografen auf ihn zu. Die große Gestalt Schills ragt über den Menschenpulk hinaus - er lächelt entspannt, ist gut gebräunt und reitet gewissermaßen auf der Welle der öffentlichen Beachtung.
Schill und die Medien: Das ist ein Verhältnis, das auch früher auf wechselseitiger Aufmerksamkeit gegründet war. Bis zu jenem Tag im August 2003, als Bürgermeister Ole von Beust (CDU) den damaligen Zweiten Bürgermeister Schill spektakulär feuerte.
Der Mann weiß auch heute, was er Journalisten schuldig ist. Vor dem Architekturzentrum, dem Gebäude der Alten Post, hat sich ein Reporter vom NDR-Satiremagazin "extra3" in einen Käfig einschließen lassen. "Vorsicht! Kritische Fragen" steht auf seinem Plakat. "Sind Sie nicht der Mann von ,extra3'?", fragt Schill gut gelaunt. "Ich habe Ihnen eine Banane mitgebracht", sagt er und reicht die Frucht in den Käfig. Zu seinen kritischen Fragen kommt der Reporter gar nicht.
"Der ist ja ganz zutraulich, Corvin", sagt Schill zu seinem Anwalt. "Hier, ich habe noch eine zweite Banane", sagt er gewollt herablassend zu dem verdutzten Käfig-Mann, und dann drängen seine Bodyguards schon den Weg in das Gebäude frei.
17.13 Uhr: Schill betritt den bis auf den letzten Platz besetzten Stephanssaal. Er begrüßt alte Weggefährten. Wie verführbar der Ex-Senator durch öffentliche Aufmerksamkeit ist, zeigt sich in einer kleinen Szene: Bevor er Platz nimmt, umringen ihn Fotografen. Um allen Journalisten gerecht zu werden, dreht sich Schill wie eine Puppe mehrfach um die eigene Achse, breit lachend.
Ein abrupter Szenenwechsel folgt, nachdem der Vorsitzende des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses Feuerbergstraße, Manfred Jäger (CDU), die Sitzung eröffnet hat. Jetzt wirkt Schill hoch konzentriert, aller Klamauk ist wie weggewischt.
"Mein Name ist Schill, Ronald Schill. Und beruflich habe ich früher mal als Taxifahrer gearbeitet." Mit diesen Worten begann er seine Aussage. In einer persönlichen Erklärung vor der Befragung erläuterte Schill, der von Bürgermeister von Beust durchweg als "Ole" sprach, noch einmal die Gründe für den Plan, eine geschlossene Unterbringung einzurichten. Die Zahl der Fälle von Jugendgewaltkriminalität sei in den Jahren zwischen 1990 und 2000 um 1000 Prozent gestiegen. Immer mehr Kinder und Jugendliche seien Opfer von gewalttätigen Übergriffen Gleichaltriger geworden. Das Ziel des Heimes sei es gewesen, die Bevölkerung vor den rund 100 bis 150 "durchgeknallten" Tätern zu schützen, die seines Erachtens nicht therapierbar seien.
Zunächst habe er gedacht, die Umsetzung des im Koalitionsvertrag festgelegten Plans sei bei der CDU in guten Händen. Dann aber habe sich gezeigt, dass Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) die Umsetzung nicht energisch genug verfolgt habe. Sie wollte sich in ihrer "von Sozis durchsetzten Behörde" keine Feinde machen. Schill: "Sie wollte in ihrer Behörde lau baden."
Er, Schill, habe im Jahr 2002 achtmal nachgefragt, wie weit die Pläne seien, zunächst direkt bei der Senatorin, dann in Senatsvorbesprechungen. Schließlich habe er den Bürgermeister zweimal darauf angesprochen, und der habe gelobt, seine Sozialsenatorin an die Kandare zu nehmen. Nach der Einrichtung Anfang 2003 habe er wiederholt die vielen Entweichungen aus dem Heim moniert, das in Wahrheit ein Haus der offenen Tür gewesen sei. Schließlich habe er von Beust damit gedroht, die Sozialsenatorin wegen ihres Versagens öffentlich zu kritisieren.
In einer Sitzungspause betonte Schill, dass er derzeit nicht in die Politik zurückkehren wolle, dies aber auch nicht für alle Zeit grundsätzlich ausschließe. Ein erneutes Antreten bei der Bürgerschaftswahl im Februar sei nicht geplant.
Ronald Schill wies darauf hin, dass die Zahl der Wohnungseinbrüche und der Gewaltdelikte steige und der Senat das Thema Innere Sicherheit nicht im Griff habe. Er ziehe es vor, das Land zu verlassen. In Rio de Janeiro fühle er sich sicherer. Zugleich attestierte Schill dem Beust-Senat in vielen Politikbereichen gute Arbeit. Er habe seinen Frieden mit dem Scheitern der Koalition gemacht und sei nicht gekommen, um mit Ole von Beust abzurechnen. Eindringlich warnte Schill jedoch vor Schwarz-Grün. Dreieinhalb Stunden dauerte die Befragung. Kaum war Schill gegangen, forderte die SPD, dass nun Schnieber-Jastram zur Aufklärung von Widersprüchen als Zeugin gehört werden müsse, was die CDU ablehnte. Eine Entscheidung stand bei Redaktionsschluss noch aus.