Antonia H. wurde gekündigt, als sie sich wehrte - laut Gewerkschaft eine gängige Praxis. Auch mangelnde Kontrolle beim Kombilohn-Modell wird kritisiert.

7,87 Euro pro Stunde sollte sie für das Putzen im Nobelhotel bekommen - am Ende waren es 2,46 Euro. Als die 23 Jahre alte Antonia H. am 1. November 2006 als Zimmermädchen im Dorint-Hotel am Alten Wall anfing, war sie froh, einen Job zu haben. Sie hatte sich die Stelle selbst gesucht, denn bei der Arbeitsagentur hatte man ihr nach Abschluss der Lehre zur Hauswirtschaftshelferin kein Angebot machen können.

Einen Tag zur Probe solle sie arbeiten, sagten ihr die Verantwortlichen der Reinigungsfirma Lieblang, die in dem Fünf-Sterne-Hotel für das Putzen der Zimmer zuständig ist. Tatsächlich bekam sie ihren Vertrag erst Mitte des Monats - obwohl sie täglich acht oder mehr Stunden in dem Hotel arbeitete, in dem ein Doppelzimmer de luxe rund 210 Euro und die Präsidentensuite 1275 Euro kosten. In dem Vertrag wurde zwar auf den gültigen Gebäudereinigertarif von 7,87 Euro pro Stunde verwiesen. Zugleich hieß es aber, die Zahlung richte sich nach der Zahl der gereinigten Zimmer (siehe Ausriss rechts). Pro Zimmer gebe es 3,50 Euro.

Der Haken an der Sache: Um auf Tariflohn zu kommen, muss jedes Zimmermädchen also 18 Zimmer pro Arbeitstag putzen - unabhängig davon, wie verschmutzt diese sind. Abgesehen davon, dass gerade neue Kräfte in der Einarbeitungszeit das oftmals nicht schaffen, kommt ein anderes Problem hinzu: Häufig sind keine Zimmer zum Putzen frei, so dass die Reinigungskräfte warten müssen - das ist Arbeitszeit, die somit unbezahlt bleibt.

Auch für Antonia H. war der Blick auf die erste Lohnabrechnung ein Schock: Gerade mal 413,18 Euro Bruttolohn für 21 Tage Arbeit gestand ihr Lieblang darauf zu. Umgerechnet 2,46 Euro pro Stunde. Nimmt man den Nettolohn, ergaben sich 1,92 Euro Stundenlohn.

Nun griff H.s Mutter ein - und schrieb einen Brief an Lieblang. Es müsse sich um einen Irrtum handeln, die Firma möge das Ganze bitte prüfen. Die Firma gab zwar nach: Man werde die Stunden ausgleichen. Fast zeitgleich bekam H. jedoch die Kündigung.

Laut Gewerkschaft ist dies gängige Praxis. Gerade in dieser Branche seien viele Menschen, darunter auch viele Zuwanderer, beschäftigt, die ihre Rechte nicht kennen würden, sagt DGB-Chef Erhard Pumm. Viele seien auch nicht gewerkschaftlich organisiert und könnten sich daher nicht wehren. Wer sich aber wehre, werde oft gefeuert.

Pumm kritisiert in diesem Zusammenhang auch die Stadt Hamburg und die für Hartz-IV-Empfänger zuständige Arge. Denn die fördert mit ihrem Kombilohnmodell auch die Arbeit in dieser Branche. So stellte die Firma Lieblang für eine Freundin von Antonia H., die 24 Jahre alte Stefanie O., einen Förderantrag bei der team.arbeit.hamburg und kassierte eine monatliche Förderung von 125 Euro - steuerfrei. Dafür versicherte Lieblang, dass die Stelle zusätzlich geschaffen werde - und kein anderer dafür seinen Job verliere. Der Clou an der Sache: O. war laut Recherchen des DGB bereits zuvor bei Lieblang beschäftigt gewesen - eine staatliche Förderung sei somit nicht nur überflüssig, sondern ungerechtfertigt gewesen.

Für DGB-Chef Pumm ist klar: "Um dieses Lohndumping einzudämmen, muss endlich der Mindestlohn eingeführt werden. Auch bestätigen sich unsere Befürchtungen beim Kombilohn: Offenbar funktioniert die Kontrolle in der Praxis nicht, sodass dem Missbrauch dieses Instruments Tür und Tor geöffnet ist."