Hamburgs Justizsenator über TV-Verzicht für Gefangene und seinen Gastgeber in Phoenix.
Hamburgs Justizsenator Roger Kusch (CDU) und sein Besuch beim "härtesten Sheriff" der USA, Joe Arpaio ("Sheriff Joe"), in Phoenix/Arizona. Im Exklusiv-Interview mit dem Abendblatt spricht Kusch über seine Eindrücke im Wüsten-Gefängnis "Tents-City-Jail" - und darüber, welche Anregungen er mit nach Hamburg nimmt. ABENDBLATT: Herr Senator, Sie waren gerade im Zelt-Gefängnis von Sheriff Joe Arpaio und wirken sehr bewegt und berührt. ROGER KUSCH: Man erlebt hier ein eigenartiges Gefühl: Einerseits in einem Land zu sein, das einem nahe steht hinsichtlich aller Werte, die die deutsche und US-amerikanische Gesellschaft verbinden, andererseits befindet man sich, wenn man sich in dem Zelt-Gefängnis umschaut, in einer anderen Welt, und man muss sich vergegenwärtigen, dass man nicht in Hollywood ist. ABENDBLATT: Welches Fazit ziehen Sie nach der Reise? KUSCH: Viele Details des Vollzugs in den USA sind für uns in Deutschland unannehmbar. Das ändert aber nichts daran, dass die Art und Weise, wie Arpaio den Strafvollzug weltweit zum Thema gemacht hat, durchaus Anerkennung findet. Hingegen besteht in Deutschland eher die Neigung, schamhaft über das Thema zu schweigen. Strafvollzug, die Bewältigung von Straftaten ist ein gesellschaftliches Phänomen, das Teil der Gesellschaft ist, auch wenn es einem unangenehm ist. ABENDBLATT: Was ließe sich vom Arpaio-Strafvollzug in Hamburger Haftanstalten übernehmen, was wäre sinnvoll? Stichwort: Fernsehen. Arpaio lässt seine Gefangenen den Wetterkanal sehen . . . KUSCH: Dies passt für Hamburg schon deshalb nicht, weil wir keinen 24-Stunden-Wetterkanal haben. Aber der Grundgedanke ist eine Überlegung wert: Dass bei uns im Gefängnis alle TV-Programme, auch blutrünstige und gewaltverherrlichende Filme gezeigt werden können, ist sicher nicht der Weisheit letzter Schluss. Dasselbe gilt für das Phänomen der Zellenbelegung. Bei uns ist die Einzelbelegung gesetzlich festgeschrieben. Hier in den USA sind die Gefangenen oft in Massenunterkünften untergebracht. Da liegt die Frage nahe, ob wir in Deutschland mit der gesetzlich festgeschriebenen Einzelbelegung nicht etwas über das Ziel hinausgeschossen sind, was nicht bedeutet, dass man die Menschenwürde nicht respektieren muss. Aber der bloße Umstand, dass zwei Gefangene in einer Zelle sind, ist noch kein Verstoß gegen die Menschenwürde. ABENDBLATT: Sie haben ausführlich mit Sheriff Arpaio gesprochen, ihn und seine extremen Ansichten erlebt: Ihre Meinung zum "härtesten Sheriff der USA"? KUSCH: Über einen Gastgeber, der mich freundlich empfängt, möchte ich keine abschätzigen Kommentare abgeben. Aber ein Gesprächspartner, der glühender Verfechter der Todesstrafe ist, den kann ich nicht verstehen. Möglicherweise kann auch er mich nicht verstehen, weil für mich natürlich die Todesstrafe nicht in Betracht kommt. ABENDBLATT: Sie gelten als jemand, der im Strafvollzug bisweilen hart durchgreift. Kritiker werfen Ihnen dies manchmal vor. Teilen Sie die Ansichten von Arpaio zum Strafvollzug? KUSCH: Die Ansichten, die Arpaio mir vermittelt hat, sind für mich Erzählungen aus einer anderen Welt. Das Merkmal seines Strafvollzugs ist die Demütigung und die Bestrafung der Gefangenen als Selbstzweck. Soweit Härte als Assoziation gilt für den Appell an niedrige Instinkte, ist dieses Wort unerträglich und nicht akzeptabel. Aber: Für konsequenten Strafvollzug, der neue Straftaten verhindert und die Gefangenen zu einem straffreien Leben anhält, für diese Art von Härte stehe ich durchaus. ABENDBLATT: Hat sich die Informationsreise für Sie gelohnt? KUSCH: Über Arpaio wird sehr viel geschrieben. Für mich war aber viel wichtiger als die Person des Sheriffs, wie sich der Vollzugsalltag im Vergleich zu deutschen Verhältnissen gestaltet. Dies konnte ich nur vor Ort kennen lernen. Deshalb hat sich die Reise für mich sehr gelohnt. Interview: Ralf Nehmzow