Mümmelmannsberg: Eine ganze Schule diskutiert

Die Szene hatte etwas von einer Belagerung: Gleich mehrere Kasmerateams filmten gestern morgen die blau-orange Gesamtschule Mümmelmannsberg (GSM) von außen. Reporter befragten Jungen und Mädchen, die auf dem Weg in das Gebäude waren. In Zeitungsberichten und im ZDF waren Schule und Stadtteil als Hort von Gewalt und Kriminalität dargestellt worden. Das Abendblatt hatte über den umstrittenen ZDF-Beitrag berichtet - und enthüllt, daß einige Szenen bestellt und bezahlt wurden. Medien aus der ganzen Bundesrepublik griffen den Fall auf. Bei Schulleiter Klaus Reinsch stand das Telefon nicht still - in der Schule wollte der Rektor deshalb gestern keine Journalisten haben. Das Abendblatt konnte dennoch mit Schülern und Lehrern sprechen.

"Das hier ist nicht Harlem oder die Bronx. Wir gehen ganz normal nach der Schule nach Hause - essen, machen Sport. Natürlich passiert auch mal was, aber das tut es woanders auch", sagte ein Neuntkläßler im Vorbeigehen. Und eine Türkin, vielleicht 15 oder 16 Jahre alt, schimpft: "Mit solchen Berichten verschlechtert ihr unsere Chancen, nach der Schule einen vernünftigen Job zu kriegen. Was soll das?"

Gemeint ist vor allem die ZDF-Reportage, die am 29. März ausgestrahlt worden war und Mümmelmannsberg als extrem gefährlichen Stadtteil gezeigt hatte. "Ich habe einen Hals gekriegt, daß ich soetwas von einem öffentlich-rechtlichen Sender serviert bekomme", sagt Mathelehrer Volker Krane. "Es stört mich, wenn mir solche gestellten Szenen untergejubelt werden."

Die gleichen Jungs, die in dem Beitrag als unberechenbare Gangster dargestellt wurden, saßen am nächsten Morgen in seinem Unterricht. "Ich glaube nicht, daß die während des Drehens überhaupt begriffen haben, worum es dabei ging." Gerade diejenigen, die in der Reportage eine wichtige Rolle gespielt hätten , hätten sich zuletzt sehr gewissenhaft auf ihre Prüfungen vorbereitet.

"Natürlich spielt bei den Jugendlichen auch Imponiergehabe eine Rolle. Aber es ist schlicht falsch zu behaupten, das wären Kleinkriminelle", sagt Krane. Und zum Thema Gewalt an der GSM: "Ich habe noch nie Angst gehabt, hierher zu kommen. Die Atmosphäre ist angenehm. Schüler grüßen und halten einem die Tür auf. Das paßt nicht zu dem schlechten Ruf, den der Stadtteil nun einmal hat."