Die Welt verneigt sich vor dem Ehrenbürger unserer Stadt: Staatsmänner, Politiker und Journalisten gratulieren in der Bucerius Law School dem 90-Jährigen. Bilder von der Gala Zitate von Helmut SchmidtHelmut Schmidts Leben

Henry Kissinger machte eine kurze Pause. Er stand auf der Bühne und schaute zu Helmut Schmidt hinüber. "Wir sind unser ganzes Leben lang auf der Suche nach verborgenen Schätzen", sagte er. "Am Ende stellen wir fest, dass es keine verborgenen Schätze gibt - und es bleibt nur Freundschaft." Dann ging er zu Helmut Schmidt, seinem Freund seit 50 Jahren, und beide umarmten sich. Es war der bewegendste Moment dieses Abends in der Bucerius Law School, den sich der Altkanzler ganz anders vorgestellt hatte. Der hatte - in schmidtscher Manier - zähneknirschend zugestimmt, dass auch "Die Zeit" eine Feier zu seinem 90. Geburtstag ausrichtete. Wer dann alles kommen sollte, ahnte er nicht. Nur zwei Dinge hatte sich der Altkanzler verbeten, das verriet "Zeit"-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo: ein Defilee und zu lange Reden. Neun Weggefährten sprachen über ihre besondere Beziehung zu dem Staatsmann - und keiner redete länger als fünf Minuten über den Mann, den die Deutschen schätzen wie keinen anderen.

"Ganz unterschiedliche Menschen sind heute Abend hier, natürlich auch Politiker", sagte Giovanni di Lorenzo. "Leider gibt es nicht viele Politiker, die das Glück haben, von Helmut Schmidt geschätzt zu werden - und alle die sind heute dabei."

Valery Giscard d'Estaing gehört zu Letzteren. Er erzählte, er sei als kleines Kind von seiner Mutter gefragt worden, ob er glücklich sei, in Deutschland geboren zu sein. Seine Antwort: "Ja, denn das erhöht die Wahrscheinlichkeit, Helmut Schmidt zu begegnen", sagte er. Getroffen haben sie sich dann aber erst mehr als 40 Jahre später. Heute Abend seien nun aber "alle Hamburger".

Es war ein Abend reich an Bonmots. Etwa als Friedrich Nowotny, die Fernseh-Legende, sagte: "18 Jahre mit Schmidt in Bonn - ich finde, ich habe eine Tapferkeitsmedaille verdient." Oder als Sandra Maischberger befand: "Als ich geboren wurde, haben Sie Hamburg gerade gerettet und schickten sich an, das auch mit Deutschland zu machen."

Und da war noch der Namensvetter. "Lieber Herr Schmidt, Exzellenzen, liebe ,Zeit'-Abonnenten", begann Harald Schmidt, bekanntlich frei von falscher Bescheidenheit. "Ich entdeckte schon früh Parallelen zu Helmut Schmidt. Zu Beginn meiner Gymnasialzeit sah ich mich rhetorisch in einer Liga mit Ihnen", fuhr er fort. "Das ging so weit, dass ich sogar Ihre Frisur haben wollte."

Und dann gab es da noch zum Schluss einen besonderen Überraschungsgast. Jemand, der Helmut Schmidt nähersteht als all die anderen: seine Tochter Susanne, die aus London angereist war. "Liebe Mutti, lieber Papi", begann sie und erzählte, dass ihr das Motto "Mein Leben mit Helmut Schmidt" leichtgefallen sei. Schließlich gäbe es sie ohne ihn und ihre Mutter nicht. Dann kam ein Zwischenruf. "Nimm das Mikro, man versteht dich nicht!", rief eine Frau - es war Loki Schmidt. Tochter Susanne zitierte dann Mark Twain, der mit 14 Jahren seinen Vater als Ignoranten bezeichnete. "Doch als 21-Jähriger wunderte er sich, wie sehr sich sein Vater in den sieben Jahren verändert habe." Und dann schmunzelnd: "Ihr seid die besten Eltern, die ich habe, und dafür bin ich dankbar." Danach gab es eigentlich nichts mehr zu sagen. Aber zu singen. Alle 400 Gäste standen auf und stimmten "Happy Birthday" an.

Die Gratulanten Susanne Schmidt: "Liebe Mutti, lieber Papi. Hier heißt es ja ,Mein Leben mit Helmut Schmidt?. Ja, es wäre ohne ihn und natürlich meine Mutter schwierig geworden. Mein Vater wurde nimmer müde zu zitieren: 'Die Mutter ist immer gewiss, die Ehe ist das, was den Vater als solchen ausweist.? Das Beste ist ja, dass sie immer noch miteinander verheiratet sind, das soll erst mal einer nachmachen."

Sandra Maischberger: "Als ich geboren wurde, waren Sie älter, als ich jetzt bin", sagte die Fernsehjournalistin zu Beginn ihrer Rede und erinnerte dann an das erste Mal, als sie Helmut Schmidt überhaupt wahrgenommen habe: "Das war mit zehn." Mit 14 Jahren habe sie politisch an seiner Seite gestanden, mit 16 Jahren schon nicht mehr. Und doch gab sie zu: "Ich gehöre zu den vielen, die Sie spät für sich entdeckt haben." Maischberger ergänzte: "Vielleicht sind Sie noch nie so geliebt worden wie im vergangenen Jahrzehnt."

Manfred Lahnstein: "Die facettenreiche, letztlich unergründliche Persönlichkeit des Jubilars" habe ihn stets an Helmut Schmidt fasziniert, sagte der Ex-Bundesfinanzminister und Kuratoriumsvorsitzende der "Zeit"-Stiftung. Der Moment im Bundestag 1982, als Schmidt nach dem konstruktiven Misstrauensvotum Helmut Kohl mit einem Lächeln und einer Verbeugung gratulierte, habe die Größe Schmidts gezeigt: "Das war ein ganz und gar unvergesslicher Augenblick."

Richard von Weizsäcker: Der ehemalige Bundespräsident erinnerte an die Ostverträge, für die er mit Schmidt gekämpft hatte. Mit Ironie zitierte er eine Aussage des SPD-Wahlkämpfers Schmidt über den CDU-Spitzenkandidaten Weizsäcker in Berlin: "Der ist doch weder Fisch noch Fleisch, der ist ein Klops." Ein kluger Berliner habe ihn dann getröstet: "Das heißt in Berlin nicht Klops, sondern Bulette. Und die sind uns immer viel willkommener als Hamburger."

Henry Kissinger: "Freunde kann man auch um 3 Uhr in der Nacht anrufen", erinnerte sich der ehemalige US-Außenminister. "Helmuts Anruf bekam ich bei einer Unterredung in Algerien, er meinte, ich bräuchte Anweisungen, wie ich mit Giscard d?Estaing umzugehen habe." Er schloss mit dem Satz: "Lieber Helmut, ich danke Ihnen für eine Freundschaft eines halben Jahrhunderts, die mich noch tiefer mit dem Land verbindet, in dem ich aufgewachsen bin."

Harald Schmidt: "Das erste Mal, als ich bewusst etwas von Helmut Schmidt mitbekam, saß ich in meiner Schule in Nürtingen bei Stuttgart. Damals wollte ich auch Ihre Frisur haben, diesen präzisen Scheitel", sagte der Entertainer. Nur leider habe sein Friseur das nie hinbekommen. Seitdem orientiere er sich frisurtechnisch an Klaus Zumwinkel. Zumindest rhetorisch habe er sich seit der Gymnasialzeit mit dem Kanzler "in einer Liga" gesehen.

Friedrich Nowottny: Der Fernsehjournalist und ehemalige WDR-Intendant lobte: "Helmut Schmidt wäre nie auf die Idee gekommen, sich Medienkanzler zu nennen." Für Journalisten sei Schmidt der ideale Partner gewesen. Er habe "druckreife Antworten" gegeben, aber auch "Popcorn für die Massen" geliefert, etwa bei der Forderung nach dem fernsehfreien Tag. Nowottnys Fazit über den Kanzler Schmidt: "Er war in diesem Job einfach besser als andere."

Valery Giscard d'Estaing: "Heute Abend sind wir alle Hamburger", betonte der ehemalige französische Staatspräsident: "Dank Helmut Schmidt habe ich die Vorzüge entdeckt, die ein großes Volk prägen." Ohne Schmidt sähe Europa anders aus: "Den Euro gäbe es heute nicht." Bewegt erinnert er sich an die Zusammenarbeit: "Gemeinsam haben wir das goldene Zeitalter der deutsch-französischen Beziehungen bestritten, eine Epoche ohne Dissonanzen."