Chronik: Um 14.30 Uhr erklärt Mettbach das Projekt für gescheitert. Jeff Koons erfährt es am Telefon.
Kurz vor sieben Uhr Ortszeit in New York - in der Millionenmetropole beginnt das Leben zu pulsieren. Künstler Jeff Koons (48) ist noch in seiner Wohnung, da klingelt in seinem Büro das Telefon. Niemand hebt ab. So früh ist noch niemand da. Auch das Handy von Koons ist noch nicht eingeschaltet, als jenseits des Atlantiks ein enger Mitarbeiter von Bausenator Mario Mettbach (51, Schill-Partei) verzweifelt versucht den Künstler zu erreichen. Denn die Botschaft ist wichtig. In Hamburg ist es nämlich inzwischen bald 13 Uhr. Die "Eilige Einladung" zu einer überraschend angesetzten Pressekonferenz des Bausenators ist schon an die Redaktionen versendet. Thema: "Aktueller Sachstand zur Gestaltung des Spielbudenplatzes". Dahinter verbirgt sich Brisantes. Mettbach will die Medien-Öffentlichkeit darüber informieren, dass er einen seiner Lieblingspläne, die Gestaltung des Spielbudenplatzes an der Reeperbahn mit zwei überdimensionalen Kränen, an denen zwei Gummienten hängen, aufgibt. Und der international renommierte Künstler weiß noch von nichts . . . Die urplötzliche Aufgabe des Koons-Projekts - damit hat in Hamburg ernsthaft niemand gerechnet. Zu sehr hatte Senator Mettbach seit Bekanntwerden des Projekts für seine Idee geworben - obwohl vor allem auf St. Pauli selber die Bürger gegen Koons Sturm gelaufen waren. Beistand fanden sie in der politischen Führung des Bezirks, in der Opposition sowieso und in den Leserbriefspalten der Hamburger Tageszeitungen. Auch die deutschen Feuilletons überschlugen sich nicht gerade vor Begeisterung. "Hamburg will schöner werden - auf absonderliche Weise", hämte die "Süddeutsche Zeitung". Und die vornehme "Frankfurter Allgemeine Zeitung" räsonierte über die Koons-Kräne: "Zwei Halli-Hallo-Phalli". Mettbach ließ sich davon nicht beirren, hielt eisern an der Koons-Kräne-Idee fest. Der Künstler musste auf Grund der Kritik lediglich etwas nachbessern. Aus statischen Gründen sollte das Objekt etwas niedriger ausfallen (wäre aber immer noch rund 100 Meter hoch gewesen). Damit, so hoffte Mettbach, würde er Punkte in den Koalitionsfraktionen sammeln. Die sollten nach der parlamentarischen Sommerpause befragt werden. Die Mehrheit der Schill-Fraktion hatte der Senator bis dato noch nicht überzeugen können, bei der CDU schienen die Pro-Stimmen zu überwiegen, zumal Bürgermeister Ole von Beust (48) hatte durchblicken lassen, dass er sich internationale Attraktivität von dem Projekt verspreche. Die Liberalen - ganz aus Prinzip der Freiheit der Kunst verpflichtet - hatten da schon längst Zustimmung signalisiert. Am 2. September sollte nach dem in der Koalition vereinbarten Fahrplan der Senat endgültig über die Causa Koons befinden. Für dies Prozedere warb Mettbach unermüdlich, zuletzt noch in einem Rundfunk-Interview Anfang dieser Woche. Es nützte alles nichts. Und nun darf gerätselt werden. Warum der plötzliche Mettbachsche Sinneswandel? Das können sich auch seine Senatskollegen nicht erklären. Noch am Montag bei der traditionellen Senatsvorbesprechung verlor er kein Wort über die Überraschungsvolte von gestern. Ursprünglich wollte er kommenden Sonntag oder Montag vor die Presse treten, ließ Mettbach gestern gegenüber dem Abendblatt durchblicken. Weil er aber befürchtete, sein Plan könne vorher durchsickern, entschloss er sich zur Flucht nach vorn. Die Pressekonferenz über die Absage des Projektes begann gestern um 14.30 Uhr. Erst unmittelbar zuvor bekam ein Mettbach-Vertrauter Künstler Koons in New York ans Telefon: "We are very sorry - es tut uns sehr Leid." Was Koons in diesem Moment empfand, darüber mochte er gestern noch nicht sprechen.