Sabine K. hatte mit dem Angeklagten eine Affäre. Der Unfallfahrer hatte einen Anfall, den er bisher verschwieg. Ex-Chef: Alexander S. war aggressiv.

Hamburg. Mit ihrer Aussage wollte sie die Verteidigungslinie durchkreuzen: Eine Ex-Geliebte des Todesfahrers von Hamburg-Eppendorf hat vor dem Landgericht von einem bisher noch nicht bekannten schweren Krampfanfall des Angeklagten berichtet. „Ich wollte auch nicht, dass er freigesprochen wird, nur weil ich nichts gesagt habe“, erklärte die 35-Jährige am Freitag. Sie habe in der Zeitung gelesen, dass der Verteidiger Zeugen vorwerfe, sie hätten sich abgesprochen. Sie lebe seit mehr als vier Jahren in London – und halte sich daher in dieser Hinsicht für unverdächtig. Die Frau hatte sich vor kurzem überraschend per E-Mail zu Wort gemeldet.

Im Sommer 2000 habe sie eine kurze Affäre mit dem Angeklagten gehabt, berichtete Sabine K.. Als er einmal bei ihr übernachtet habe, habe sie einen heftigen nächtlichen Anfall miterlebt: „Ich bin davon aufgewacht, dass er quasi aus dem Bett geflogen ist.“ Er habe krampfhaft gezuckt, „wie ein Fisch auf dem Trockenen“: „Für mich war das ein schockierendes Erlebnis", sagte die 35-Jährige, die für ihre Aussage aus London angereist war." Er habe geistig völlig abwesend gewirkt.

Nach der Aussage seiner früheren Geliebten – er sprach nur von der „Dame“ – räumte der Angeklagte den Anfall ein. Zuvor hatte er vor Gericht erklärt, er habe zwischen 1993 und 2004 keinerlei Krampfanfälle gehabt. Er habe nicht gewollt, dass seine jetzige Verlobte – mit der er damals bereits zusammen war – von dem Fremdgehen erfahre, sagte er. „Meine Angst ist einfach zu groß gewesen, dass ich das kaputt schlage für im Endeffekt nichts.“ Daher habe er den Anfall vor Ärzten und auch im Prozess verschwiegen.

Laut Anklage hatte der Unfallfahrer im März 2011 kurz vor einer Kreuzung einen Anfall und war mit seinem Auto mit mindestens Tempo 100 über eine rote Ampel gerast. Sein Wagen schleuderte in eine Gruppe von Fußgängern und Radlern. Vier Menschen wurden getötet, darunter der Schauspieler Dietmar Mues und der Sozialforscher Günter Amendt. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 40-Jährigen vor, er habe sich im Wissen um seine Krankheit ans Steuer gesetzt. Der Angeklagte hält sich dagegen nicht für einen Epileptiker – obwohl er seit Jahren anti-epileptische Medikamente nimmt.

Die Ex-Geliebte sagte, kurz nach dem schweren Anfall im Jahr 2000 habe das Verhältnis geendet: „Ich habe mich sehr zurückgezogen, weil ich überhaupt nicht damit umgehen konnte.“ Ihr sei nach dem Vorfall auch klar gewesen: „Ich möchte nicht mit ihm Auto fahren.“ Sie hätten sich aber nicht im Streit getrennt. Im Büro – die beiden waren von 1996 bis 2000 Kollegen – habe sie ebenfalls einen Aussetzer bemerkt.

Der Angeklagte habe ihr damals gesagt, seine Freundin mache seine Arzttermine aus, erklärte die 35-Jährige, die im dunklen Hosenanzug und weißer Bluse vor Gericht erschien. In Typ und Auftreten ähnelt sie der Verlobten des Angeklagten. Nicht seine Verlobte, sondern seine Mutter kümmere sich um seine Termine, sagte dagegen der 40-Jährige – von Arzttermminen bis Ehemaligentreffen. „Meine Mutter fungiert sozusagen als Sekretariat.“

Der Ex-Chef des Angeklagten sagte als Zeuge, er habe schon vor dem Horror-Crash einen schweren Unfall des 40-Jährigen befürchtet. „Der Unfall war im Grunde das, worauf alle gewartet haben“, sagte der 53-Jährige. „Worauf alle gehofft haben, dass es nicht passiert.“ Seine Mitarbeiter hätten ihm von regelmäßigen Anfällen des Mannes in der Firma berichtet. Der Geschäftsführer schilderte den 40-Jährigen als freundlich und zuvorkommend – aber auch arrogant und aggressiv.

+++Jetzt tut es dem Unfallfahrer leid+++

Ein Antrag der Verteidigung, einen Gutachter für befangen erklären zu lassen, scheiterte im Verlauf des Verhandlungstages. Am 31. Mai beginnen voraussichtlich die Plädoyers vor dem Landgericht. Am 5. Juni wird das Urteil erwartet. (/dpa/jeb)