Für wasserscheue Grundschüler plant Behörde Schwimmnachhilfe. 576 Plätze gibt es, 72 Förderkurse pro Schuljahr geplant.
Hamburg. Die Zahlen sind alarmierend: Lediglich 30 Prozent der Hamburger Kinder können nach der vierten Klasse sicher schwimmen. Das hatte die Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage der FDP-Bürgerschaftsfraktion ergeben. Nun hat die Schulbehörde ein Konzept erarbeitet, das besonders wasserscheuen Kindern helfen soll, schwimmen zu lernen. Mit Beginn des neuen Schuljahrs wird es für diese Kinder Schwimmnachhilfe geben. Außerdem soll der bisher auf die dritte beziehungsweise vierte und sechste Klasse verteilte Schwimmunterricht auf die Grundschulzeit konzentriert werden.
Qualifizierte Schwimmlehrer sichten derzeit die Kinder in drei Bädern während des Schwimmunterrichts. In den übrigen Schwimmbädern beginnt die Beobachtung im kommenden Schuljahr. Kinder, die sich mit dem Element Wasser besonders schwertun, werden in Zukunft aus dem Klassenverband mit durchschnittlich 21,5 Kindern herausgenommen und in kleinen Gruppen mit höchstens acht Kindern besonders gefördert - auch am Nachmittag. Diese Schwimmnachhilfe ist für die Eltern kostenlos. "In Abstimmung mit Bäderland wird geprüft, welche Schwimmzeiten in welchen Stadtteilen zur Verfügung stehen. Nach den Sommerferien soll dann gestartet werden", sagt Schulsenator Ties Rabe (SPD) dem Hamburger Abendblatt.
+++ Das kann nur der Anfang sein +++
+++ Nur 30 Prozent der Viertklässler können schwimmen +++
+++ Hunderte demonstrieren gegen Aus von Fiedlers Schwimmschule +++
Die notwendigen, zusätzlichen Schwimmlehrer werden gerade ausgewählt. 140 000 Euro wird die Schwimmnachhilfe kosten, 40 000 Euro davon spendet der gemeinnützige Verein NestWerk, der sich vor allem für Kinder in sozial benachteiligten Quartieren einsetzt. Zum Vergleich: In Blankenese besitzen nur etwa 27 Prozent der Jungen und Mädchen kein Schwimmabzeichen. In Wilhelmsburg sind es teils 80 Prozent. Ziel von Schulbehörde und Bäderland ist es, dass am Ende der Grundschulzeit 90 Prozent der Kinder ihr Seepferdchenabzeichen erlangen, 70 Prozent zusätzlich Bronze und fünf Prozent sogar Silber erreichen. "Dieses Ziel wurde bisher nie erreicht", sagt Senator Rabe. In Klasse drei schaffen bisher 83 Prozent das Seepferdchen.
Vor allem in den sozial schwachen Stadtteilen haben die Kinder Probleme, sicher zu schwimmen. Dort kämen Kinder insbesondere mit Migrationshintergrund erst in der Grundschule zum ersten Mal mit dem Element Wasser in Berührung. Um die Grundschüler spielerisch ans Wasser zu gewöhnen, arbeiten Hamburgs Schulen - zusätzlich zu den üblichen Abzeichen Seepferdchen, Bronze und Silber - mit dem Pinguin-System von Bäderland. "Der Schwerpunkt liegt bei der Wassersicherheit", sagt Sport-Fachreferentin Judith Kanders. Ganz behutsam werden ängstliche Kinder eingewöhnt. Zur Eingewöhnung gehört unter anderem, die Kinder an den Händen zu fassen und durchs Wasser zu gehen. Später wird mit einem Brett und einer Poolnoodle durchs Wasser geglitten und hineingesprungen. Die Kinder lernen, wie ein Seestern auf dem Rücken im Wasser zu liegen. In den darauffolgenden Unterrichtseinheiten geht es um die Kombination von Arm- und Beinbewegungen, rhythmisches Atmen und Tauchvariationen. Ziel ist es, dass die Kinder in der Lage sind, 25 Meter in Bauch- und/oder Rückenlage zu schwimmen. Am Ende steht das Seepferdchenabzeichen. "Dieses Schwimmkonzept ermöglicht viele kleine Erfolgserlebnisse. Das ist für die Kinder wichtig", sagt Judith Kanders.
576 Plätze stehen für die Schwimmnachhilfe pro Schuljahr zur Verfügung. Bei 12 500 Kindern, die im Schuljahr Schwimmunterricht haben, sind das fünf Prozent eines Jahrgangs. 72 Förderkurse sind pro Schuljahr geplant. Ein Kursus läuft über ein Halbjahr.
Für den Schulsenator hat Schwimmen zwei Aspekte: Neben dem sportlichen Aspekt gehe es darum, nicht zu ertrinken. In der Grundschule stehe letzterer Aspekt im Mittelpunkt. Außerdem sollen Hamburgs Kinder schon früher schwimmen lernen als bislang.
Weil der Unterricht in die Grundschulzeit verlagert werden soll, wird es für die Viert- und Fünftklässler eine Übergangsfrist geben. Sie haben wie bisher in der 6. Klasse Schwimmunterricht. Forderungen, den Schwimmunterricht noch weiter in die unteren Jahrgänge zu verlegen, lehnt Senator Rabe ab. Denn: Je jünger die Kinder seien, desto mehr Personal sei notwendig. Auch bräuchten die Kinder länger beim Umziehen.
Selbst wenn Eltern, wie so oft, ihre Kinder zum Schwimmunterricht begleiten, koste das die Behörde für jedes Elternteil 10 Euro Wegegeld pro Stunde.