Altona. 26 Jahre gab es die legendäre Kneipe am Schulterblatt. Ein Buch setzt ihr nun ein Denkmal und beschreibt den Wandel im Schanzenviertel.
Zwischen zwei Buchdeckel passt eine ganze Welt, ganz viel Liebe – und nun auch eine wunderbare Bar. Der Hamburger Junius-Verlag hat einem besonderen Lokal in der Schanze ein Denkmal gesetzt: Der Titel ist so schlicht wie ihr Name: Daniela. Und weil die Daniela-Bar im vorvergangenen Jahr von uns gegangen ist, hat der Bildband zugleich etwas von einem Requiem.
Nun können die, die einst auf einem Barhocker versonnen auf das Ölbild mit barbusiger Daniela blickten oder in ihrem Gin Tonic rührten, Seiten und zugleich Zeiten durchblättern. Dabei trifft man noch einmal die Nachtschwärmer, Nachteulen und Nachtjacken von einst. Liest man die wehmütigen Erinnerungen von prominenten Daniela-Gängern, wundert man sich fast, wie die alle in diesen kleinen Schlauch am Schulterblatt hineinpassen konnten.
Schanze Hamburg: In der Daniela-Bar auf dem Schulterblatt hatten nur Frauen das Sagen
Doch irgendwie hat es immer gepasst, auch weil die beiden Betreiberinnen, Florence Mends-Cole und Patty Neumann, nicht nur die Daniela gemanagt haben, sondern Daniela waren. Länger als ein Vierteljahrhundert prägten sie die wohl beste Bar der Schanze, hinter der Theke hatten nur Frauen das Sagen, das aber war kein Matriarchat, sondern ein Bartriarchat. Ein besonderes SPA, wie es im Buch heißt: „Sanus per Alcohol“. Und eine Bar, die stets etwas Anarchisches hatte: „Du bist nicht betrunken, solange du auf dem Boden liegen kannst, ohne dich festzuhalten.“
Das war harte Arbeit für coole Nächte. „Zwölf-Stunden-Schichten. Und nicht nur eine“, erinnert sich Florence Mends-Cole. „Wir waren jung, und wir hatten die Kondition. Und wir hatten Lust.“ Politik war damals gegenüber der Roten Flora auch stets dabei, es ging um alternative Lebensentwürfe, es ging um Selbstermächtigung und Feminismus. „Der Tresen ist deine Bühne, und sie galt es zu bespielen. Es gab keinen Rückzugsort. Wir haben uns, und alle haben den Danielas dabei zugeschaut: Wir sind alle auf dieser Bühne gewachsen.“ Allen der insgesamt 81 Mitarbeiterinnen hinter der Bar setzt dieses Buch ein Denkmal.
Daniela-Bar in der Hamburger Sternschanze war eine Heimat in der Nacht
Patty Neumann sagt: „Wir hatten tolle Danielas mit uns. Frauen, die diese Verantwortung getragen haben, die bereit waren, alles zu lernen – vom Laden-Aufschließen bis zum Hausverbot-Aussprechen. Sich abgrenzen, sich einlassen: Sich auf die Nacht einzulassen, das ist eigentlich die größte Herausforderung für uns hinter dem Tresen.“ Die Daniela-Bar war eine Heimat in der Nacht – wenn anderenorts schon die Bürgersteige hochgeklappt waren, drangen aus der Bar noch Licht und Musik.
Nach 26 Jahren oder 9618 Tagen oder 230.832 Stunden Daniela schreiben die beiden Barmacherinnen rückblickend: „Wir waren jung und wild und haben über ein Vierteljahrhundert am Schulterblatt gearbeitet, gefeiert, gelacht, geweint, getanzt, gestritten, Geschichte geschrieben.“ Als dann im Frühjahr 2022 Schluss war, widmete sogar das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ der Bar einen umfassenden Nachruf.
Buch über die Daniela-Bar in der Schanze dreht sich auch um Wandel der Hamburger Kneipenszene
Nun ist es ein ganzes Buch geworden, ein Bilderbogen über eine Legende der Nacht, aber auch eine kritische Reflexion über die Veränderungen im Schanzenviertel und der Kneipenszene. Wo früher Bars das pulsierende Herz der Nacht waren, treten nun gesichtslose Kioske an ihre Stelle, begehbare Kühlschränke an Straßenecken ohne Flair und Musik, aber dafür billig.
Das Cornern und Corona haben der Nacht das Leben ausgehaucht. „Die Leute sind früher allein und zu zweit gekommen“, sagt Patty. „Dann kamen sie im Pulk. Der Laden ist leer, auf einmal kommen acht Leute, dann noch eine Gruppe von zehn, dann eine von sechs Leuten, plötzlich ist die Bar voll und im nächsten Moment wieder leer. Das liegt an der Vernetzung durch Smartphones.“ Der Autor Christoph Twickel beschreibt es so: „Bars und Clubs werden zu Stationen eines in der Peergroup virtuell geplanten Ausgehparcours.“
Schanze Hamburg: Promis wie Tim Mälzer und Nina Petri erinnern an Daniela Bar
Viele Prominente, von Tim Mälzer über Nina Petri bis Frank Spilker, nehmen im Buch Abschied von Daniela, viele mit Wehmut, manche auch mit einer Überdosis Konservativismus. „Früher war alles besser“, heißt es dann nicht nur bei Ingo Pohlmann. Vielleicht war früher nicht alles besser, sondern wir alle einfach jünger.
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Oke Göttlich formuliert die Hoffnung, die alle Kneipenliteraten und -leserinnen teilen: „Die Nacht hab Daniela selig, sie wird in anderen Körpern fortleben.“