Hamburg. Keine Autos, keine Lkw: Wenn die A7 rund um den Hamburger Tunnel gesperrt ist, ergibt sich Möglichkeit für ein besonderes Training.

Im Elbtunnel ist ein Fahrzeug in Brand geraten, Flammen lodern aus einem Autoanhänger. Es dauert nur wenige Minuten, ehe dunkler Rauch das Auto umhüllt. Die Nebelwolke kommt immer näher. „Das ist Theaternebel, der ist ungiftig. Es kann nichts passieren“, ruft Christina Kluge. Sie ist die Sicherheitsbeauftragte für den Elbtunnel in Hamburg. Der Brand ist echt, aber alles ist nur eine Simulation.

1000 Grad Celsius und eine Rauchwolke, welche die Sicht trübt: Wenn im Elbtunnel ein Fahrzeug brennt, kann das für Autofahrerinnen und Autofahrer sehr schnell sehr gefährlich werden. Damit im Notfall die richtige Hilfe in einer der vier Röhren ist und alles reibungslos abläuft, bekommen die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Betriebszentrale im Elbtunnel etwa zweimal im Jahr Schulungen wie diese. Das Abendblatt war mit dabei.

Brand im Elbtunnel: Mitarbeiter proben Notfall mit echtem Feuer

Sonnabendmorgen, 9.37 Uhr, die vier Tunnelröhren sind beinahe autofrei. Nur ein Dutzend Menschen steht im Inneren der Unterführung, durch die sonst bis zu 145.000 Fahrzeuge am Tag rauschen. Der Elbtunnel ist an diesem Wochenende wegen Bauarbeiten gesperrt. Für das Team von Andree Poggendorf, Abteilungsleiter des sogenannten Tunnelbetrieb-Kompetenzzentrums, ist das die Gelegenheit: Dann lässt sich die Technik in Ruhe prüfen und Mitarbeiter können auf den Ernstfall vorbereitet werden.

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Ernstfälle – wie etwa der Lkw-Brand am 4. Juli dieses Jahres: Um 10.16 Uhr hatte die Betriebszentrale an diesem Sommermorgen Rauch in der vierten Röhre des Elbtunnels detektiert. Poggendorf zeigt im Schulungsraum einen Zusammenschnitt der Sicherheitskameras: Darauf ist der Lkw-Fahrer zu sehen, wie er das rauchende Fahrzeug verlässt, noch schnell seine Tasche aus dem Führerhaus rettet und zur Notrufnische läuft. Der Rauch aus dem Führerhaus seines Lkw verwandelt sich innerhalb weniger Minuten in lodernde Flammen.

Alles lief bei diesem Vorfall nach Plan: Zehn Minuten nachdem der Rauch registriert wurde, ist die Feuerwehr vor Ort. Bereits um 10.50 Uhr meldeten die Feuerwehrleute: „Feuer aus.“ Verletzt wurde damals niemand, nur die Röhre des Elbtunnels trug einige Schäden davon. Am Folgetag um 14.30 Uhr wurden die Fahrbahnen wieder für den Verkehr freigegeben. Für Poggendorf ein beispielhafter Ablauf.

Brand-Simulation im Elbtunnel: „Das Feuer wird nicht so heiß wie ein echter Brand“

Zurück zur Übung: In Röhre eins steht am Schulungstag die sogenannte Brandsimulations-Übungslöschanlage, kurz Brandwanne, noch immer in Flammen. „Das Feuer wird nicht so heiß wie ein echter Brand“, sagt Techniker Michael Cöllen. Schließlich dient es Schulungszwecken und soll nicht den halben Tunnel beschädigen. „Orientieren Sie sich an der Tunnelwand, wenn der Nebel zu uns zieht“, ruft Sicherheitsbeauftragte Kluge den Schulungsteilnehmern und -teilnehmerinnen zu.

Elbtunnel
Feuer und Nebel werden bei einer Übung im Elbtunnel simuliert. So können Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auf den Ernstfall vorbereitet werden. © FUNKE Foto Services | Thorsten Ahlf

Doch dazu kommt es nicht. Alles läuft, wie es soll: Die Notfallbeleuchtung an den Wänden blinkt rhythmisch und schießt immer wieder weiße Blitze durch die schummrig-orangene Röhre. Die Fluchtwegleuchten strahlen grün, die Markierungsknöpfe auf der Fahrbahn haben sich automatisch auf ihre hellste Stufe eingestellt.

Mitarbeiter prüfen automatische Sicherheitsvorkehrungen im Elbtunnel

Durch die Lautsprecher ertönen die Anweisungen des Sicherheitspersonals, das langsam und deutlich spricht: „Bitte verlassen Sie Ihr Fahrzeug und begeben Sie sich zu den Notausgängen.“ Auch die Brandschutzklappen rauschen längst. Sie saugen den Rauch ab und machen die Sicht auf den Brandherd binnen weniger Minuten frei.

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Zweimal im Jahr trainieren Mitarbeiter aus der Elbtunnel-Betriebszentrale den Ernstfall. Dabei wird auch ein brennendes Fahrzeug simuliert. © FUNKE Foto Services | Thorsten Ahlf

Im Notfall wird im Elbtunnel nichts dem Zufall überlassen. Es gibt einen festen Plan: den sogenannten AGAP, den Alarm- und Gefahrenabwehrplan. Poggendorf hat die verschiedenen Schritte zu Beginn der Schulung im Schnelldurchlauf heruntergebetet und immer wieder betont: Die Mitarbeiter kennen diese im Schlaf. Der heutige Termin dient einerseits der technischen Prüfung, ob alle automatisierten Sicherheitsvorkehrungen so ablaufen, wie sie sollen. Andererseits sollen die Mitarbeitenden den Ernstfall noch einmal durchspielen, zur Sicherheit. Ein echtes Szenario ist immer noch einmal anders, als es auf dem Papier beschrieben ist.

Elbtunnel in Hamburg: Warum Notfallnischen so wichtig sind

Techniker Michael Cöllen geht zu einer der Notfallnischen und öffnet die Klappe in der Wand: Darin befinden sich neben einem Telefon auch ein SOS-Knopf sowie ein Feuerlöscher. Entnimmt man diesen, schnappt automatisch eine Metallschiene herunter, damit leere Feuerlöscher nicht einfach wieder hineingestellt werden können. „Nutzen Sie für den Notruf das Telefon in der Notrufnische und nicht Ihr Handy“, sagt der Experte. „So ist uns Ihr genauer Standort bekannt und die Hilfe ist umso schneller bei Ihnen.“

Techniker Michael Cöllen erklärt, warum die Notrufnischen im Elbtunnel so wichtig sind, um Kontakt mit der Tunnelbetriebszentrale aufzunehmen.
Techniker Michael Cöllen erklärt, warum die Notrufnischen im Hamburger Elbtunnel so wichtig sind. © Vivien Valentiner | Vivien Valentiner

Elbtunnel hat „herausragende Bedeutung für das gesamteuropäische Straßennetz“

Nicht nur für Pendlerinnen und Pendler oder Menschen, die in Hamburg leben, ist der Tunnel eine wichtige Verkehrsachse. „Der Elbtunnel hat eine herausragende Bedeutung für das gesamteuropäische Straßennetz“, sagt Poggendorf. Komme es zu Unfällen, Sperrungen oder Schäden, könne das Auswirkungen auf die Volkswirtschaft in ganz Europa haben, so der Diplom-Ingenieur für Elektrotechnik. Denn 17 bis 20 Prozent des Verkehrs im Elbtunnel werde von Lkw verursacht, die Waren transportieren. „Deshalb ist es wichtig, dass wir hier einen guten Job machen.“

59 Angestellte hat die Betriebszentrale in Hamburg-Othmarschen: Ingenieure und Facharbeiter aus den Bereichen Elektrotechnik, IT, Maschinenbau und Ingenieurbau, Techniker sowie Verkehrsingenieure arbeiten zusammen. Rund um die Uhr überwachen sie an drei Arbeitsplätzen den Verkehr im Elbtunnel.

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„Unser oberstes Ziel ist es, die Leichtigkeit des Verkehrs zu gewährleisten“, sagt Poggendorf. Und zur Leichtigkeit gehört eben auch die Sicherheit. Sogar Trainings für die Lautsprecherdurchsagen im Notfall bekommen die Mitarbeitenden: Denn manchmal reichen voraufgezeichnete Ansagen nicht aus. „Präzise und verständliche Durchsagen sind erforderlich, um die Selbstrettung zu unterstützen“, sagt der Ingenieur.

Notfall-Übung im Elbtunnel: Dieses Fazit zieht Leiter des Tunnelbetrieb-Kompetenzzentrums

Bei der Übung in Röhre eins ist der Brand an diesem Sonnabend inzwischen gelöscht. „Bitte begeben Sie sich in die Tunnelleitzentrale“, hallt es aus den Lautsprechern. Das Training ist vorbei. Doch Feierabend haben Poggendorf und seine Kollegen noch nicht. Die eigentliche Arbeit beginnt erst: Nun heißt es, das Geschehene auszuwerten. Ist alles nach Plan verlaufen?

Anruf bei Andree Poggendorf drei Tage nach der Schulung: Der Diplomingenieur ist zufrieden. „Die Übung ist erfolgreich verlaufen, Sicherheitssysteme haben erwartungsgemäß funktioniert.“ Natürlich soll sich der 4. Juli 2024 so schnell nicht wiederholen. Aber sollte es dennoch dazu kommen: In der Elbtunnel-Betriebszentrale sind alle Beteiligten gewappnet. Der AGAP geht auf.